Dwa Oświecenia. Polacy, Żydzi i ich drogi do nowoczesności

2 Polnische Miscellen herausgegeben Von August v. Drake Ersten Bandes ertes Heft. Warchau gedruckt bei Joseph Węcki 1826 Die Polnischen Miscellen sind bestimmt Materialien zur Kenntniss der Cultur der Polnischen Nation in älterer und neuerer Zeit zu liefern und werden demnach folgende Gegenstände enthalten : 1. Eine Auswahl der gehaltvollsten Aufsätze und Abhandlungen aus Polnischen periodischen Schriften in vollständiger Uebersetzung 2. Auszüge aus grössern Polnischen Werken 3. Uebersetzungen Polnischer Gedichte. 4. Historische, statistische, literarische Nachrichten Polen betreffend, Biographieen ausgezeichneter Männer, Anzeigen der in Polnischer Sprache erscheinenden Schriften u. s. w. 5. Original-Aufsätze und Gedichte in Polen lebender Deutschen. Diese Zeitschrift erscheint in monatlichen Heften zu 5 bis 6 Bogen; drei Hefte machen einen Band aus. — Die vierteljährige Pränumeration beträgt durch die Buchhandlungen im Jn-und Auslande 12 Poln. Gulden oder 2 Thaler; durch die Post-Aemter im Königreich Polen 15 Poln. Gulden oder 2 Thaler 12 Gutegroschen. — Mit einer Wojewodschaft-Karte kostet jeder Band i Poln. Gulden oder 16 Gutegroschen mehr. Am Ende eines jeden Quartals wird die Liste der Pränumeranten geliefert werden. POLNISCHE M1SCELLEN. OCTOBER 1826. Von der Notwendigkeit einer Uebersetzung des Babylonischen Talmuds zum Behuf einer Reform der Juden, vorzüglich in Polen, and von den Vortheilen, die dem geistlichen und weltlichen Studium daraus erwachsen können. (*) In einem Zeitalter, wo die Vernunft, den Fanatismus verdrängend, ihr Gebiet nach allen Seiten erweitert, am aus allen Völkern der Erde, so viel als möglich, ein einziges zu bilden; inmitten einer Naion, die in Folge weiser Duldsamkeit, um den gemeinamen Heerd, wie vormals um Vestas Altar, so viele Geschlechter und religiöse Secten versammelt sieht, ie alle ihre verjährten Vorurtheile und ihren gegeneitigert Groll dem Vaterlande zum Opfer bringen; in en Augen von ganz Europa endlich, für welches welches werder Araber, noch Indier, noch der Bewohner des prallten Memphis eine unverstandene Sprache redet, (*) Gegenwärtiger Aufsatz, der bereits im Aprilheft 1826 der Warschauer Polnischen Monatsschrift (Dziennik Warszawski) mitgeteilt worden, erscheint hier aus dem umgearbeiteten Manuscript übersetzt. ist eine Uebersetznng des Talmuds ein Gegenstand von höchster Wichtigkeit geworden. Bereits seit funfzehn Jahrhunderten ist der Name dieses Buchs eine Losung zum Streite und zum Bunde wider die Synagoge gewesen, während die Kenntniss seines Inhalts von jeher Denen fremd blieb, die mit der heftigsten Erbitterung zu den Waffen griffen. In diesem so langen Zeitraume ist es nur einer überaus kleinen Anzahl Christlicher Gelehrten gelungen, den ganzen Talmud zu durchlesen, nur Einem Schriftsteller, ihn zu übersetzen, und bezweifeln darf man, ob irgend einer von ihnen dessen wahres System durchdrungen habe. Wer aber ist im Stande zu berechnen, wie viel derselbe beigetragen, und fortdauernd beitragt, die Leiden der Menschheit zu vermehren? Aus der tiefen Finsterniss, die ihn umschliesst, verbreitet er, gleich einem unsichtbaren feindlichen Genius, Unheil über die Erde. Der einzige Gelehrte, den uns die Geschichte als einen Uebersetzer des ganzen Talmuds nennt, ist Rabbi Joseph, ein Spanischer Jude, der dies Werk unter dem Schutze eines Königs von Cordova in Arabischer Sprache zu Stande gebracht haben soll. Aber diese Uebersetzung ist uns bei weitem unbekannter und unzugänglicher als der Text selbst, so wie auch ihre Treue wegen der Religion des Verfassers verdächtig seyn muss, die ihm nicht gestattete, sich aufrichtig zu äussern. Wenn aber der Talmud, bis zu unsern aufgeklärten Zeiten, nicht wie andere Bücher des Alterthums übersetz worden ist, so rührt dies nicht allein daher, dass die Juden sich bestrebt haben, uns die Kenntniss desselben zu entziehen, die Nichtjuden aller auf ihn mit all der Verachtung und dem Widerwillen herabsahen, wovon sie seit Jahrhunderten gegen das Judenthum überhaupt durchdrungen sind; eben so wenig daher, dass derselbe in einer sehr schwierigen Sprache geschrieben und in ein Labyrinth von seltsamen Sophismen, Symbolen und Widersprüchen verwickelt ist; auch nicht, dass seine zwölf Foliobände und die nothwendige Berücksichtigung anderer Rabbinischen Werke, mit denen er verzweigt ist und die zu seiner Erläuterung dienen, den Uebersetzer von solch ungeheuerer Arbeit abschrecken und zu anderweitigen Bechäfftigungen zurückführen; — sondern die Hauptursache besteht darin, dass Diejenigen, welche den Talmud übertragen wollten, entweder ausschliesslich Christen waren, die, obgleich sonst wohlunterrichtet, doch die erstaunliche Rabbinische Gelehrsamkeit nicht in ihrem ganzen Umfange inne hatten, (*) oder bloss Juden, welche, ausser den Schwierigkeiten, die ihnen ihr Glaube in den Weg legte, wenn es darauf ankam, Geheimnisse zu offenbaren, nie die vollständige Kenntniss der Orientalischen Sprachen und Alterthümer besassen, die bei einem solchen Unternehmen unentbehrlich ist; und endlich, dass jederzeit blos Einzelne, Christen oder Juden, sich an eine Arbeit wagten, welche nur durch einen Verein einsichtsvoller Christen und aufrichtiger Jsraeliten unter dem Schutze eines Monarchen vollführt werden kann, wie solcher dem Spanischen Uebersetzer zu Theil geworden. Es haben daber eben Mitglieder eines solchen Vereins, beseelt von dem so grossen als woblthätigen Gedanken einer Wiedergeburt der Polnischen Juden, und überzeugt von den vielfachen andern Vorlhei- len, die daraus, dein allgemeinen Wöhle zufliessen können, sich gegenwärtig entschlossen, eine verständliche, treue und vollständige Uebersetzung des Babylonischen Talmuds in Französischer Sprache zu liefern, welche geeignet sey, die besagte Reform in Polen zu befördern, und sie da überall wirksamer und dauerhafter zu machen, wo sie bereits eingeleitet ist. Seit Jahrhunderten sieht man in mehrern Ländern das Project, die Israelitische Nation umzubilden, gleich einer Mode aufkommen und eben so schnell wieder verschwinden, ohne, ausser dem Verluste von Mühe und Kosten, irgend eine Spur zu hinterlassen. Druck und Milde, Hass und Mitleid, Ueberredung und Spott, Philosophie und Politik, Alles das ist in dieser für die gesammte Menschheit so wichtigen Angelegenheit angewandt worden und dennoch fruchtlos, weil man nicht wusste oder nicht wissen wollte, womit hier eigentlich zu beginnen war. Die Umbildung der Juden ist ein Problem, zu dessen Lösung die Bedingungen in den Lehren des Talmuds verborgen liegen; sie wird daher unausführbar bleiben, wenn wir nicht im Stande seyn werden, diese Bedingungen durch die beabsichtigte Uebersetzung ans Licht zu stellen. Es ist Zeit, leeren Einbildungen zu entsagen: — der Talmud gleicht dem verzauberten Walde Tassos; erst sind dessen Zauber und Ungethüme zu vertreiben, ehe der letzte Sturm auf die heilige Stadt gelingen kann. Da jedoch diese einfache und richtige Ansicht der Aufmerksamkeit der Reformatoren des Jüdischen Volks leicht entgeht, und eben deshalb ihre Absichten fehlschlagen, so scheint es uns nothwendig, das Ansehn, die Tendenz und den Einfluss der Lehre des Talmuds, vorzüglich in Polen, näher zu beleuchten, wodurch dann der wahre Nutzen unseres Vorhabens sich darthun wird. Die Verfasser und Anhänger des Talmuds vergleichen die Bibel dem Wasser, die Mischna dem Weine und die Gemara einem aromatischen Tranke, um dadurch anzudeuten, dass sie die beiden letztem höher schätzen, als erstere. Umsonst aber befrägt man selbst den berühmten Basnage um den Grund dieser Ansicht, obgleich er sich in seiner Geschichte weitläuftig darüber ausspricht. Die Ursache liegt darin, dass die Juden ihr Gesetz in das geschriebene, welches in der Bibel enthalten, und in das mündliche theilen, das in der Mischna und Gemara, den beiden Abtheilungen des Talmuds, aufbewahrt ist. Gott, sagen sie, gab dem Moses auf dem Sinai die Bibel und den Talmud, erstere, dass sie schriftlich aufgezeichnet und den Gelehrten sowohl als den Laien mitgetheilt werde, letzteren, um ausschliesslich den Verwahrern und Auslegern der Traditionen mündlich überliefert zu werden. Deshalb nennen sie ihn das mündliche oder überlieferte Gesetz. Er sollte nöthigentalls dazu dienen, den wahren Sinn der Bibel oder des schriftlichen Gesetzes zu erläutern und zu bestimmen, indem dieses gleich im Anfange nur unvollständig und mit Lücken gegeben ward, Gott auch vorhersah, dass die verschiedenen Völker dasselbe zur Unterstützung ihrer Jrrlehren misbrauchen würden. Das mündliche Gesetz, fügen sie hinzu, würde dasselbe Schicksal erlitten haben, wenn es den andern Nationen durch Aufzeichnung frühe zugänglich gemacht worden wäre. Nur spät also und ungern entschlossen sich, um seinem Verluste vorzubeugen, die Juden, es in der heutigen Mischna und Gemara niederzuschreiben. So wurde die Mischna der erste Commentar und Anhang der Bibel, sie verlieh dieser durch ihre Auslegungen und Zusätze den Geschmack und die Kraft, welche der Wein dem Wasser ertheilt, mit dem er gemischt wird. Als man einige Zeit später auch die Gemara (*) schrieb, um beiden zusammen, sowohl der Bibel als der Mischna, zur Erklärung und Ergänzung zu dienen, bekam diese Mischung den Wohlgeschmack und die Kraft eines aro- matischen Getränks und das Gesetz erreichte seine Vollkommenheit. Von nun an bildeten die Mischna und Gemara die grosse Jüdische Gesetzsammlung, welche Talmud geheissen ist, und wovon die Juden, nach Buxtorf, sagen: sanctissimo Talmud nihil est superius. Statt also mit Basnage zu untersuchen, ob die Synagoge dem Talmud eine so grosse oder noch grössere Autorität zuspricht, wie der Bibel, kann man mit Grund behaupten, dass die Bibel in den Augen der Juden so viel Ansehn besitzt, als ihr der Talmud verleiht, wenn er sie beleuchtet und ihren Sinn durch seine Auslegungen und Zusätze feststellt, indem diese gerade für dieselben gehalten werden, welche Gott dem Moses auf dem Berge Sinai mitgelheilt. Und wenn die Juden, ausser dem Talmud, noch andere Bücher haben, die mit ihm gleicher Achtung geniessen, so ist dies deshalb, weil selbige dies Ansehn von ersterem entlehnen, wovon sie meist Auszüge sind. Bemerken wir auch, dass die Juden gar keine eigentliche Civilangelegenheiten haben, sondern alles bei ihnen in inniger Verbindung mit der Religion, folglich mit dem Talmud steht, der alle Theile, Lehrsätze und Gebräuche derselben enthält. Daher wird eine Uebersetzung dieses ungeheuren Codex pharisäischer Gesetze und Gewohnheiten die ganze Grundlage des Judenthums aufdecken und uns zeigen, dass es gleich den Trophäen der Luftbewohner, wovon Lucian erzählt, auf Spinnenwebe beruht. Diese Uebersetzung wird Alles umfassen, was dazu beitragen kann, ein Chaos zu entwirren, in das sieb unsere Gedanken verlieren, wenn es darauf ankommt, ein gründliches Urtheil über die jetzigen Juden zu fällen. Ihre Reformatoren werden dadurch zu einer vollkommenen Kenntniss aller Grundsätze und Ausflüchte der Synagoge, wie auch alles dessen gelangen, was diese der öffentlichen Ruhe so gefährlich macht: kurz, sie werden dadurch endlich lernen, eine Krankheit mit Erfolg zu behandeln, die, wegen Unkenntniss dienlicher Mittel, bisher fast als unheilbar anzusehen war. Die Tendenz des Talmuds ist gerade eine solche, wie sie das falsch ausgelegte Mosaische Gesetz, die gänzlich entstellte Orientalische und Griechische Philosophie, sodann, wie sie das Zeitalter der Unwissenheit, des Hasses und gegenseitiger Verfolgung, in welchem der Talmud verfasst ward, nicht anders hervorbringen konnten. Jndem Moses seine gesetzlichen Vorschriften den Missbräuchen seines Jahrhunderts, dem Charakter seines Volks, dem Klima seines Landes, den rohen Sitten und dem unsinnigen Götzendienste der andern Nationen des Orients anpasste, hatte er die sich auf Zeit und Ort beziehenden Verordnungen sehr wohl von denen abgesondert, deren Zweck die Sittlichkeit war. Er selbst hatte die erstem gemässigt, die letzteren bestätigt. Aber die Juden nahmen nachher, ohne alle Rücksicht und Untersuchung, den Grundsatz an, das Gesetz Mosis sey ewig und unveränderlich, und sahen überall und immer die Zeiten, die ihrem Einzuge in Palestina vorangegangen waren, die Völker, die vormals dieses Land bewohnten und den glühenden Himmel jener östlichen Gegenden. Ausserdem haben die Philosophen des Orients, Symbole und Allegorieen liebend und in Grübeleien über die Zukunft vertieft, stets einem Volke gefallen, das von Natur zu Aberglauben und Astrologie geneigt war; ganz besondern Anhang aber fanden sie unter ihm nach der Befreiung aus der Babylonischen Gefangenschaft. Damals kam unter den Israeliten zuerst die Jdee einer heiligen Schrift und Sprache auf, beide überladen mit den Mysterien einer Kabbala, die geeignet war, einen unverständlichen Mischmasch hervorzubringen und alles Dunkele für Göttliche Offenbarung auszugeben. Später sehen wir die Häupter verschiedener, Secten und Schulen unter den Juden mit Begierde alle die Spitzfindigkeiten (*) und Lehren der Griechischen Philosophie als Waffen zu Angriff und Vertheidigung ergreifen; wir sehen sie sogar ihre Wissenschaft und Geschicklichkeit darin setzen, die Abgeschmacktheit der erstern, und die den letzteren eigenlhümliche Hinneigung zum Pyrrhonismus noch zu überbieten. Eine solche Richtung hatte der Geist der Lehrer des schriftlichen und traditionellen Gesetzes genommen, als das Christenthum eine religiöse Bestürzung unter dem Volke verbreitete, das so eben seinen (*) Es ist jedoch zu bemerken, dass die ersten Spuren dieses Hangs zu Spitzfindigkeiten sich bereits bei Jesaias und Jeremias finden, welche ihn den Juden vorwerfen. Tempel, seine Altäre, die heilige Stadt und sein Vaterland verloren hatte. Mussten sie, ausser jenem Verluste, nicht noch den eines ausschliesslichen Besitzes des geschriebenen Gesetzes befürchten, auf das sich die neue Religion der Christen eben so mächtig als die der Juden stützte? Die Lehrer der Synagoge mussten also ernstlich darauf bedacht seyn, gegen dieses neue Uebel einen Damm zu errichten, nach ihrem Ausdruck: das geschriebene Gesetz mit einem Zaune zu umgeben, nämlich es mit solchen Auslegungen zu versehen, welche die Unrechtmässigkeit der Ansprüche des verfluchten Geschlechtes Edoms (wie sie uns nennen) erwiesen. Sie mussten eine Scheidewand zwischen beide Secten aufführen, und den Juden ein solches Gesetz geben, das sie fortan von den Christen sowohl, als von andern Völkern der Welt, auf immer absondere. Dies war der wahre Zweck des Rabbi Jehuda des Heiligen, welcher, wenn den Rabbinen zu glauben ist, zuerst anfing, das mündliche Gesetz niederzuschreiben. Bei diesem Vornehmen scheint er sich aber damit begnügt zu haben, die in den Israelitischen Schulen schon damals vorhandenen Gährungskeime, so wie den Hass und Stolz, welche die Juden gegen andere Völker von jeher gehegt haben, blos aufzuregen: das heisst, er behielt in der Mischna und, empfahl sogar durch sein Beispiel die verfänglichen Spitzfindigkeiten und die Zweifelsucht der Griechischen Schulen, diese der Schwäche und dem Truge so günstigen Waffen. Er nahm von Zeit zu Zeit den Mysticismus und die Dunkelheit der Orientalischen Philosophie zu Hülfe, um die Kunst zu lehren, Träumereien zu verwirklichen und die Geheimlehren vor den Augen derjenigen Völker zu verbergen, mit denen die Juden, wider ihren Willen, in einigem Verkehre stehen mussten. Er liess die Jntoleranz, welche Moses durch die Umstände genöthigt war, gegen einige feindliche Völkerschaften seiner Zeit vorzuschreiben und die mithin schon lange ihre gänzliche Erfüllung erreicht hatte, fortwährend bestehen und erstreckte sie sogar über alle Völker der Erde. Man nimmt an, dass er seine Mischna um das Ende des zweiten Jahrhunderts der Kirche geschrieben habe; und erst von diesem Zeit- punct an sieht man den Geist des Hasses und des Widerslrebens zunehmen, der hei der Abfassung der Talmudischen Gesetzsammlung vorherrschte und desto kräftiger hervortritt, je mehr die Fortschritte des Christenthums die Gemüther ihrer Compilatoren erbittert zu haben scheinen. Leidenschaftlicher noch erscheint das Judenthum in der Jerusalemischen Gemara, die ungefähr ein Jahrhundert nach der Mischna geschrieben ward, und überschreitet bereits alles Maas in der noch später verfassten Babylonischen Gemara (*). Dieser zufolge sind die Juden allein beseelte und mit Vernunft begabte Wesen; sie allein sind im Stande, das Gesetz zu verstehen und werth dasselbe zu bekennen; sie allein sind rechtmässige Eigenthümer der Güter dieser Welt und unwiderruflich zur Glückseligkeit auf jener vörherbestimmt, die andern Völker aber sind nur Fleisch und Blut, (*) Bemerkenswerth ist es, dass bald nach dein Schlüsse des Talmuds der Justinianische Codex erschienen ist. Peter Beer. Maschinen, Thiere, zum mindesten Götzendiener, mit denen die Juden so verfahren sollen, wie mit den sieben abgöttischen Völkern in Canaan. Kurz hier erscheint jene Pharisäische Sophisterei in vollem Glanze, welche List mit Unwissenheit paart, um die Zeugnisse und das Ansehen der Talmudischen Lehrer über Alles zu erheben, den Sinn verschiedener Stellen der heiligen Schrift zu verdrehen, offenbare Widersprüche für Wahl heit auszugeben und alle Gefühle der Menschlichkeit, der Bruderliebe und der Ehrfurcht gegen die rechtmässige Obrigkeit mit bitterer Galle zu schwängern. Durch eine Uebersetzung des Talmuds stelle man die lieblosen Gesetze und Sitten, die gehässigen und fanatischen Lehren, die offenbaren Widersprüche, die kleinlichen Spitzfindigheiten und Mährchen, welche jenem Buche zum Grunde liegen, unsern Gesetzen, Sitten und Zeilen, gegenüber und der Zustand unserer höheren Bildung wird die gewünschte Reform unvermerkt herbeiführen: denn die Vernunft der Juden, wie beschrankt wir sie in dieser Hinsicht auch voraussetzen mögen, wird nicht umhin können, Grundsätze und Vorurtheile zu verläugnen über die sie vor den Augen der Welt erröthen müsste. Die Synagoge wird uns nicht mehr der Ungerechtigkeit, Verläumdung und des Betrugs beschuldigen können sobald durch eine Uebersetzung des Talmuds endlich dar- gethan seyn wird, dass die Tendenz seiner Lehren wirklich, eine solche und vielleicht eine noch verderblichere ist, als wir so eben angedeutet haben. Jedoch ist der Einfluss dieser Lehren, obgleich immer bedeutender, als wir uns gemeinhin vorstellen, nicht in allen Ländern von Europa gleich; und wer eine Reform der Juden beabsichtigt, soll die Schwierigkeiten zu würdigen wissen, welche ihm die verschiedenen Grade dieses Einflusses entgegenstellen werden. Ja Jtalien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und England ist der Talmud gegenwärtig fast ein ausschliessliches Besitzthum der Rabbinen und einiger gelehrten Juden ersten Ranges; die andern beschäfftigen sich lieber mit der Bibel und den zu deren Erklärung nöthigen Kenntnissen. Jn Polen aber, wo jeder junge Israelit erzogen wird, ein Rabbine zu werden, macht das Studium des Talmuds nicht allein die vorzüglihste, sondern die einzige Be schäftigung der Juden ans. Kaum hören diese das erste Lallen ihrer Knaben, so beeilen sie sich, sie, nach ihrem Ausdrucke, zwischen die finite gewisser Lehrer au setzen, die ihre wider sinnigen Satzungen selbst nie klar eingesehen, aber frühzeitig anfangen, den Kopf ihrer zarten Zöglinge mit lächerlichen und oft der Sittlichkeit nachtheiligen Mährchen, mit Hanedlstheorieen, die last immer auf den abgefeimtesten Betrug zielen, endlich mit gehässigen Grundsätzen zu überladen, die geeignet sind, alle der Menschlichkeit und geselligen Ruhe günstigen Gefühle zu unterdrücken (*). Auf diese Weise wird der junge Pol- nische Jsraelit im zwölften Jahre ein abgesondertes Wesen, ein gänzlich entarteter Sprössling Judas, und es bleibt fast keine Hoffnung, ihn durch bessere Erziehung oder Reform jemals auf den rechten Weg zu bringen, da alle seine Fähigkeiten, im Namen des Ewigen, (der ihnen zufolge im Talmud redet) auf Hinterlist, Sophismus und Intoleranz gerichtet sind: Von diesem Alter an bis zum Tode füllen die Juden alle freien Augenblicke ihres Lebens mit dem Talmud aus; in ihm sehen sie ihren Tempel, ihre heilige Stadt, ihr Vaterland und so viele süsse Hoffnungen, die ihnen reichlichen Ersatz für ihr Elend und für alle Leiden ihrer Sklaverei bieten; in ihm, glauben sie, sind alle Künste, alle vorhandenen und noch zu entdeckenden Kenntnisse enthalten und die Talmudischen Lehrer scheinen ihnen die grossen Männer alter und neuer Zeit unter andern Nationen bei weitem aufzuwiegen, sie finden ihre Rede süsser, als die des Nestors. Durch bedauernswerthe Vernachlässigung ist es dahin gekommen, dass, während in andern Ländern die Juden sich immer mehr zur heiligen Schrift zurückgewandt haben öder zurückwenden, sie sich dagegen in Polen immer weiter davon entfernen, und ausserdem Talmud und seinen Auszügen, auch die Commentare desselben und die kabbalistichen Schriften als Religionsbücher betrachten und um so höher verehren, je mehr solche sich durch Spitzfindigkeiten und Fanatismus auszeichnen. Jn ihren Augen ist es eine Art von Entweihung, das Lesen der Bibel dem Studium des mündlichen Gesetzes und die Worte der Propheten denen der Rabbinen vorzuziehen. Und wenn sie meinen, dass in Polen der ächte Sitz der Wissenschaft des Talmuds sey, so ist es deshalb, weil seine Lehren und andere noch gefährlichere hier in Kraft und Sicherheit ausgeübt werden, und weil das Talmudische Halbwissen, worauf'hier die Juden in Masse Anspruch machen, ihr Herz von Stolz gegen die Nichtjuden anschwellt, die von diesem Buche keine Kenntniss haben, und sogar gegen Juden anderer Länder, die nicht auf gleiche Weise studiren, denken und sich kleiden, wie die in Polen. Eben dieser Stolz flösst ihnen eine tiefe Verachtung gegen alle weltlichen Künste und Wissenschaften ein. Man wundere sich daher nicht länger, wenn die nämlichen Mittel, wodurch in andern Ländern von Europa unter den Juden einigern,assen eine Reform bewirkt oder vielmehr eine gewisse Cultur befördert worden, in der nämlichen Absicht bei den Polnischen Juden angewandt, ihr Ziel gänzlich verfehlt haben. Erstere waren schon an sich geneigt, sich den reformieren den Völkern anzunähern, indem sie die Bibel höher schätzten, als den Talmud, welchen sie kaum kannten; in Polen hingegen kennen und verehren die Juden, wie gesagt, nur den Talmud und seine Auszüge, mithin hängt eine Reform derselben gänzlich von einer Uebersetzung dieses Buchs ab, welche sein Ansehn und seinen ungemeinen Einfluss vernichte, indem sie alle seine gespenstischen Ausgeburten zerstreue: denn werden diese wohl gegen die unparlheiiscbe Prüfung der Welt und gegen die wiederholten Angriffe der Vernunft lange bestehen können, sobald diese Ueber- setzung sie aus dem Dunkel hervorgezogen haben wird, das ihnen bisher als Schlupfwinkel und Schutzwehr diente? Aber wird man sagen, wenn die Reform der Juden iu andern Ländern ohne Uebersetzung des Talmuds zuwege gebracht werden konnte, warum vermögte man nicht auch in Polen ein Gleiches zu bewirken? Und wenn der Talmud und seine der Vernunft, der Sittlichkeit, der Staatsgewalt und dem öffentlichen Wohle widerstrebenden Grundsätze grossem Einfluss in Polen haben sollten, als anderswo, warum würde da nicht eine Auswahl und Darstellung eben dieser Grundsätze hinreichen und dieselben Folgen haben, welche man sich von der Uebersetzung des ganzen Talmuds, einem langen, schwierigen und kostbaren Unternehmen, verspricht? Damit die Reform der Juden eine dauernde und Wahihifte werde, muss sie sich auf einer durchdachten und progressiven Trennung religiöser Vorurtheile von den durch das Gesetz Mosis vorgeschriebenen, Glaubenlehren und Gebräu hen gründen, einer Trennung, die weder durch Gunstbezeugungen, noch durch Drohungen, sondern einzig durch gründliche Belehrung und mehr noch durch die Schaam über ihre jetzige moraliche Erniedrigung hervorgebracht werde und keine Reue nach sich ziehe. Jst nun aber die Reform der Juden in anderen Ländern je auf diesem Wege herbeigeführt und folglich dauerhaft begründet worden? Oder hat man daselbst ihren Werth und ihr Anselm allgemein anerkannt? Wir sind geneigt zu glauben, dass sowohl Furcht, als persönlicher Vortheil und öfter noch, der Indifferentismus dorten das Ihrige mitgewirkt haben und, statt die Besagte Trennung hervorzubringen, man die Dogmen nur noch mehr mit den Vorurtheilen vermengt und sowohl die einen, als die andern ohne Prüfung verworfen hat. Eine Reform dieser Art kann für die Masse der Juden nichts anders seyn, als eine wirkliche Verfolgung oder eine Schule des Atheismus, wie auch ein niedriger Betrug von Seiten der aufgeklärten Israeliten, die zu derselben, beigetragen. Möge das Beispiel, das sich in Frankreich unter unsern Augen und unter dem Schutze eines Herrschers ereignete, der von den Juden mit dem Namen des Messias geehrt würde, unser sonst so aufgeklärtes Jahrhundert endlich über diesen Gegenstand heilsam belehren. Hätte eine Uebersetzung des Talmuds es den Reformatoren damals möglich gemacht, den wahren Geist der Judenthums zu durchschauen, das umzubildende Volk aber gehindert, sich seine üblichen Ausflüchte zu Nutze zu maahen, so würde man heute die Grundlage jener berühmten Reform nicht theils auf Fragen beruhen sehen, die, das Ziel gänzlich verfehlend, oft mehr die Dogmen als das Vorurtheil angreifen, andern Theils auf blendenden und trüglichen Antworten, die zwar den Schein annehmen, das geschriebene und das mündlicjie Gesetz zu verehren, in der That aber beide unter das Joch eines sehr missverstandenen Liberalismus bringen. (*) Eine solche Ueber- setzung würde Frankreich wahrscheinlich die nutzlose Mühe erspart haben, jenes grosse Sanhedrin zu berufen und zu unterhalten, das sich den Namen eines theatralischen Spiels zugezogen hat. (*) Was eine Auswahl der obenerwähnten schädlichen Grundsätze und Lehren betrifft, so i.rt eine solche bereits vor langer Zeit durch Eisenmenger in dessen auf gedecktem Judenthum geliefert worden, und die Vortheile, die daraus entsprungen, zeigen, von welcher Seite die Synagoge angegriffen werden muss. Da jedoch diese Sammlung keineswegs der entschleierte und übersetzte Talmud selbst ist, so ist es den Juden durch ihre Klagen und Protestationen gelungen, sie in den Augen mancher zu leichtgläubigen Christen als ein Gewebe von Lügen erscheinen zu lassen. Sie stellen sich gekränkt durch die vermeinten Verläumdungen dieses Schriftstellers, während sie es wirklich deshalb sind, weil er sie in den Augen der ganzen Welt entlarvt hat; ja, es ist wahrscheinlich, dass, wenn Eisenmenger, statt des aufgedeckten Judenthumes, eine Uebersetzung des Talmuds herausgegeben hätte, die Reform der Juden bereits ihr Ziel erreicht haben würde. Zwar hat, anderer Schriftsteller zu geschweigen, Surenhusius die ganze Mischna übersetzt, aber seine Uebersetzung hat keb ne anderen Folgen gehabt, als den Nichtjuden den Wahn einzuflössen, als enthalte die bisher unübersetzte Gemara eben so gemässigte Grundsätze, wie die Mischna, da doch gerade in ersterer der feindselige und fanatische Pharisäismus ohne Maske und mit schonungsloser Erbitterung auftritt. Weder die Uebersetzung des Surenhusius, noch irgend eine Auswahl wird den Geist eines Buches enthüllen können, in weichem der Keim der Verderbnis in jedem Abschnitt, jeder Stelle, ja fast in jedem Worte anzutreffen ist; und so lange nur ein einziges Blatt des Talmuds unübersetzt bleibt, wird der Rabbinische Fanatismus nicht ablassen, sich darin festzusetzen und sich in dieser seiner letzten Verschanzurig verzweiflungsvoll zu wehren.— Daher ist es nicht nur nothwendig, eine Uebersetzung der Mischna und der Babylonischen Gemara zu veranstalten, dieselbe mit zweckmässigen Anmerkungen aus ihren eigenen Commentaren und ändern, religiösen Büchern zu bereichern, sondern auch noch aus der Gemara von Jerusalem all die Stellen hinzuzufügen, worin diese von jener abweicht und welche, deren Lücken ausfüllen können, und zwar um zu verhüten, dass die Juden letztere nicht aus den Trümmern der Babylonischen wiederherstellen mögen; — Es ist ferner unumgänglich nöthig, dass die Mitglieder des Lebersetzungsvereins nach einer solchen Ausgabe des Talmuds arbeiten, worin so wenig als möglich ausgelassen sey (*): denn ganz vorzüglich in dieäen unterdrückten Stellen birgt sich das talmudische Gift und finden sich eine Menge Aufschlüsse, die dazu dienen können, ein Chaos zu entwirren, das eben durch diese Auslassungen an seiner dunkeln Wichtigkeit besonders gewonnen hat. Es wäre ein Traum, wenn man glauben wollte, diese Stellen seyen aus dem Gedachtniss der Juden geschwunden, weil sie aus dem Talmud gestrichen worden. Diese Auslassungen machen sie den Lehrern der Synagoge noch theurer, welche nicht ermangeln, sie auswendig zu lernen, und ihren Zöglingen mit den Zusätzen und Erklärungen zu wiederholen, die ihnen ihr feindlicher Sinn eingiebt. Der Hauptvortheil, den eine vollständige und kritische Uebersetzung des Babylonischen Talmuds verheisst, ist mithin der, die Reform der Juden in Polen unmittelbar zu bewirken, und dieselbe dauerhaft, aufrichtig und eben so frei von Fanatismus, als von der in den übrigen Theilen von Europa verbreitete- Religionsgleichgültigkeit zu machen. Sie wird din Masse des Israelitischen Volks vom Talmud abwene den, so viel als möglich zur heiligen Schrift zurückführen und sie uns somit näher bringen. Die rabbanistischen Juden wird sie hindern, sich fernerhin hinter so lächerliche, als verderbliche Traditionen zu verbergen, um einen Staat im Staate zu bilden. Dieser wichtige Vortbeil allein muss den Völkern, unter denen Juden leben, ein Antrieb seyn, alle die Schwierigkeiten und den Widerwillen zu besiegen, womit ein solches Unternehmen verknüpft seyn mag, um so mehr, da diesen Völkern die ungemeine Sorgfalt aufgefallen seyn muss, mit welcher die Juden gemeiniglich die Talmudischen Lehren ihren Blicken zu entziehen suchen. Aber diese Uebersetzung wird noch andere Vortheile gewähren, die obgleich den ersteren untergeordnet, derselben in den Augen des gebildeten Publicums einen hohen Werth erleihen müssen. Der Talmud ist nämlich ein Religionsbuch für die Juden, zugleich aber auch ein seht schätzbares Denkmal des Alterlhums, das wenigstens bis in die ersten Jahrhunderte der Kirche hinaufreicht. Jn der Vorrede zum grossen talmudischen Wörterbuche der beiden Buxtorfe sind diese Vortheile ausführlich erörtert und zugleich die leeren Bedenklichkeiten hinweggeräumt, welche die Jdee, den Talmud allgemein zugänglich zu machen, etwa erregen könnte. Aber der Kürze und Klarheit halber, woran es jener Vorrede gebricht, wollen wir diese Vortheile auf folgende hauptsächlichste zurückführen: den Vortheil für das geistliche Studium und den, für die weltlichen Kenntnisse. Wie wir im Laufe, der menschlichen Dinge wahrnehmen, dass wir oft unsern Feinden mehr zu verdanken haben, als Denen, die uns lieben, so haben auch die Lehrer des Talmuds, verblendet von unversöhnlichem Hass gegen den eikibenen Urheber des Christenthums und gegen das heilige Buch, das die Grundlage dieser Religion ausmacht, wider ihren Willen, die Göttin hkeit des erstem und die Wahrheit des letzteren in ein helleres Licht gestellt, in dem sie den einen und das andere in der Absicht angriffen, das Andenken und Ansehn derselben zu vernichten. Nehmen wir nämlich alle jene ausgestrichenen Talmudischen Stellen an den gehörigen Orten wieder auf, so finden wir unleugbar im Talmud eine deutliche Erwähnung von Jesus Christus, als einem ausserordentlichen Wesen, das durch Kenntniss der Zauberei und Kabbala Wunder gewirkt habe. Jene eifrigen Lehrer sahen freilich nicht voraus, dass mau feinst über den Werth dieser Wissenschaft besser aufgeklärt seyn würde. Es ist darin auch ausdrücklich die Rede vom Evangelium und dessen Lehren, und zwar mit erstaunlichem Aufwandevon Worten, Sprüchen und Parabeln, die zu seiner Erklärung ausserordentlich beitragen. Jn dem Talmud erkennt man ferner den wahren Charakter der Pharisäer, dieser unablässigen und erbitterten Gegner Christi und seiner Lehre. Wir haben bereits gesagt, dass die Juden den Talmud aus derselben Quelle herleiten, wie das Mosaische Gesetz, nämlich unmittelbar aus Gottes Munde, Sie gehen noch weiter, indem sie behaupten, dersel- be sey von Adam und allen alten Patriarchen gebannt worden. Kurz sie denken sich den Talmud als ewig. Aber unsere Uebersetzung wird beweisen, dass man nirgends, als im- Talmud selbst, die ersten Spuren seines wahren Ursprungs zu suchen habe. Denn es wird darin von dem vergessene Gesetze aus der Zeit des Esras geredet, das durch die Sorgfalt zweier berühmter Lehrer Scharnmai und Hillel wiederhergestellt worden sey, worunter gewisse Erklärungen und Zusätze zu verstehen sind, welche die Ausübung des geschriebenen Gesetzes eben so nöthig machte, als die Sprache desselben damals Ausleger erforderte. Man beklagt sich darin über die Schüler des Schammai und Hillel, die durch Nachlässigkeit und Gezänk die alten Gebräuche geändert und aus dem Gesetze Mosis zwei Gesetze gemacht hätten. Und mehrerer anderer Nachrichten nicht zu gedenken, die in den Augen aufmerksamer Kritiker sehr schätzbar seyn müssen, schreibt man darin das mündliche oder traditionelle Gesetz einem gewissen Rabbi Akiva zu, der einige Zeit nach Schammai und Hillel lebte und als ein leidenschaftlicher Fanatiker und Liebhaber von Sophismen und Kunstgriffen, auf alle Weise werth ist, auf den Ruhm Anspruch zu machen, den ersten Grund zu den Spitzfindigkeiten des Talmuds gelegt zu haben. Wenn man endlich bisjetzt nicht darüber einverstanden ist, ob Muhamed bei Entwerfung seines Lehrgebäudes den Beistand von irgend einem Juden benutzt habe,so rührt dies daher, dass man nicht bemerkte, wie die Abfassung des Korans ungefähr in die Zeiten der Beendigung des Talmuds fällt, als die gelehrten Juden sich des Rufes glücklicher Neuerer erfreuen mussten; ferner, dass man nie darauf aufmerksam war, wie sehr die Fabeln und Ausflüchte des Korans denen des Talmuds ähnlich sind, und wie sehr gewisse darin gegen die Israelitische Nation gerichtete satyrische Ausfälle und Anspielungen auf ihre Sucht, das Gesetz zu verdrehen oder gar zu verfälschen, mit der Sinnesweise gewisser Juden übereinstimmen, die Ursache haben mochten, mit ihren Glaubensgenossen unzufrieden zu seyn. Wir dürfen nur einige beliebige Stellen des Talmuds auswählm, um zu erweisen, dass eine Uebersetzung desselben, auf jedem Blatte, spwohl den Reformatoren die Mittel darbieten wird, das Judenthnm zweckmässig zu ergründen, als auch den geistlichen und weltlichen Wissenschaften manche Stützpunkte, um zu merkwürdigen Aufschlüssen zu gelangen. Die folgenden Proben werden dazu dienen, den Charakter unserer Üebersetzung, so wie den Plan anschaulich zu machen, den wir in den erläuternden Anmerkungen und Citationen zu befolgen gedenken. Erste probe. Die Tradition berichtet, dass atu Vorabend des Osternfestes (Math 27. 45.) Jesus von Nazareth auf gehängt (Joh. 19. l8.) und vierzig Tage vorher folgendes Vrtheil bekannt gemacht wurde: ,,Jesus soll gesteinigt werden: (Joh. 8. 59.) denn er übt Zauberkünste (Math. 12. 24.) und führt Jsrael in Jrrihum und Verwirrung. Wer ihn zu rechtfertigen weise, komme, und rechtfertige ihn.“ Doch da nichts zu seie ner Bechtfcrtigung vorgebracht wurde, ward er am Abend vor Ostern aufgehängt. (*) Ula, (ein Lehrer des Talmuds,) wirft hier di-Frage auf: ' ist es denkbar, dass man Denjenigen, der ein Verführer ist, zu rechtfertigen erlaube, (Math, 27. 63.) da doch das Gesetz sagt: (5. Mos. 13. 8.) (**) Du sollst dich seiner nicht erbarmen, noch ihn verbergen? Man entgegnet ihm, bei Jesus sey der Fall anders, da er Zutritt am Höfe gehabt habe. Die Babbinen berichten uns , dass Jesus folgende fünf Schüler gehabt habe: Mathai, Nakai, Netser, Bune und Thode. Man liess Mathai erscheinen, welcher (seinen Richtern) sagte: Wird wohl Malhai getödtet werden, von dem (Psalm 42. 3) geschrieben steht: Wann (Mathai) werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue! Sie antworteten ihm: Ja, Malhai wird getödtet werden: denn es steht gleichfalls geschrieben: (ebend 41. 6) Wann ( Mathai) wird, er sterben und sein Name vergehen! (***) (*) cf, Rosche fiaschana, 25. 1. (**) cf. Maimonides. Jad Chasaka. Hilchos Sanhedrin.. C 12. § 5. (***) Diesel Methode, seinen Gegner, der sich auf die heilige Schrift beruft, durch andere Citationen aus derselben zu entwaffnen, stimmt genau mit dem Geschmacke jener Zeit, überein. Siehe das Gespräch Christi mit. dem Versucher in fler Wüste. (Luc. 4. 11 u.12). Man berief sodann den Nakai, welcher zu ihnen sprach: werdet ihr den Nakai zum Tode verdammen, von welchem (2 B. M. 23. 7.) geschrieben steht: Den Unschuldigen (Naki) und Gerechten sollst du nicht erwürgen ? Allerdings soll Naki mit dem Tode bestraft werden, nach den TTorten der Schrift: (Ps. 10. 8) Er erwürget den Unschuldigen (Naki) heimlich. Hierauf ward Netse.r gerufen, welcher sprach- soll Netser. hingerichfet werden, von dem (Jes, 11. 1) geschrieben steht: Es wird ein Zweig (Netser) aus seinen TTurz ein Frucht bringen., Darauf ward ihm geantwortet: ja, Netser soll getödtet werden: denn es heisst: (ebend l4. 19) Du aber bist verworfen von deinem Grabe, wie ein verachteter Zweig. (Netser) Sie liessen nun den Bune vorrufen, welcher sagte: soll Bune sterben, von dem (2 B. M. 4. 22) geschrieben steht: Jsraelist mein erstgeborner SohnJ (Bni) Sie antworteten ihm: ja, Bune soll steifen: denn es steht gleichfalls geschrieben: (ebend. v. 23.) So will ich deinen erstgeborenen Sohn (Bineha) erwürgen. Endlich liessen sie den Thoda vor sich kommen, welcher sprach: soll Thoda getödtet werden, da doch (Ps. 100. l) geschrieben steht: Singet Dank (Thoda) dem Herrn? Sie antworteten ihm: Thoda soll um- kornmen: denn es steht noch geschrieben: (ebend 50. 23) Wer Dank (Thoda) opfert, der preiset mich. Diese ganze Stelle haben wir aus dem Auszüge des Talmuds genommen, der unter dem Namen Hin Jakob so bekannt ist: denn sie findet sich nicht in den heutigen Ausgaben des Talmuds und gehört zu dem Talmudischen Tractat Sanhedrin, (S. 43. Co1. l) wo der ganze Raum, den sie sammt ihrer Erklärung eingenommen, leer gelassen ist. — Die Censur, welche obige Stelle unterdrückt hat, (wofern es nicht Juden selbst waren, die dieselbe ausgelassen) scheint ausser Acht gelassen zu haben, dass sie aus dem Evangelium die die Heiligkeit Christi nicht minder bestreitenden Worte gleichfalls hätte ausstreichen sollen: Er vertreibt die Teufel durch nichts anderes als durch Beelzebub, den Obersten der Teufel. Herr, wir gedenken, wie dieser Herführer, als er noch lebte, gesagt hat: nach drei Tagen will ich auferstehen, und andere ähnliche mehr. Die obige Stelle, an ihren Ort zurüekgeslellt und durch andere ähnlichen Inhalts unterstützt, welche dem Texte gleichfalls wieder einverleibt w erden müssen, dient dazu: 1. Den Juden den Mund zu schliessen, welche sich heute auf verstümmelte Ausgaben des Talmuds berufen, um zu beweisen, dass, sich in diesem ganzen Buche entweder nicht die mindeste Erwähnung; von Jesus Christus befinde, oder dass der Jesus des Talmuds nicht derselbe sey, wie der von den Christen verehrte. 2. Bestätigt und erläutert sie das Evangelium in Hinsicht der dunkelsten und bestrit- tensten Puncle, z. B. ob Christus in der That am Vorabend des Osternfestes gekreuzigt worden und ob er folglich dieses Fest wirklich bei seinem letzten Abendmahle mit seinen Jüngern gefeiert habe. Die andere bei diesem Anlass von uns angeführte Stelle aus dem Talmud, (Rösch Haschana 25. 1.) in welcher die Rede von zwei verschiedenen Rechnungsarten ist, nach welchen die zu Christi Zeiten in Secten getbeilten Juden die Tage ihrer Feste bestimmten, erläutert diesen Umstand vollständiger, als all die vielen hierüber geschriebenen Abhandlungen. Aus dieser Stelle geht noch hervor, dass die Erbitterung der Juden gegen Jesus Christus, die so weit ging, falsche Zeugen gegen ihn aufzustellen und ihm den Barrabas vorzuziehen, nicht sowohl von dem Neide ihrer Lehrer herrührte, als von dem Eifer für die Befolgung des Gesetzes, welches, obwohl fatsch ausgelegt und angewandt, sie das Verbrechen der Verführung als strafwürdiger ansehen liess, wie alle Misethaten des Barrabas, und sie berechtigte, jedes Mittel zu gebraucheu, um Denjenigen aus dem Wege zu räumen, der sich eines solchen Verbrechens verdächtig machte. Durch die obige Citation haben wir Diejenigen auf das Zeugniss des Maimonides verwiesen, welche sich näher überzeugen wollen, wie die Juden jederzeit die Heilige Schrift über einen so zarten Punct ausgelegt haben. 3. Giebt sie die richtigste Ansicht von dem Charakter der Juden, welche stets Diejenigen, die dem Hofe nahe standen oder höhere Staatsämter bekleideten, geschont haben, und sogar mit Beeinträchtigung des Mosaichen Gesetzes so handeln zu müssen glauben. Wir haben auszugsweise mitgetheilt, was der Commentar über diesen Gegenstand sagt, damit man erkenne, wie sehr die Juden ein verstecktes Ziel durch leere Formen und Scheingründe zu erreichen lieben. 4. Endlich, zeigt sie, dass die Lehrer des Talmuds hei streitigen Gegenständen lieber citiren, als ihre Vernunft anwenden wollen, und dass ihre Anführungen aus der Heiligen Schrift, auf welchen die ganze Kraft ihrer Beweise beruht, gewöhnlich so verfänglich sind, dass, ohne die mindeste Rücksicht auf die Bedeutung der Worte im Zusammenhang zu nehmen, sie sich an blosse Aehnlichkeiten des Klanges und der Buchstaben halten. Und gerade um eine solche lächerliche Aehnlichkeit aufzufinden, haben sie hier die Namen der Jünger Jesu Christi geändert oder entstellt, von denen sie die Meinung verbreiten wollen, als seyen sie gleich ihrem Meister hingerichtet worden. Zweite Probe. Ein wandernder Rabbi, Namens Bar Bar Chana, erzählt im Talmud folgende Begebenheit, von welcher er mit einem Arabischen Kaufmanne, seinem Reisegefährten, Zeuge gewésen seyn will. Er spricht in dem Talmudischen Tractat Bava Bathra, S. 74, Col.1, folgendermassen von sich: Der Kaufmann sprach zu mir: „Komm, ich werde dir zeigen, wo Himmel und Erde sich küssen.,, (Koran Sur. 18. 84) (*) Jch ging und erblickte deselbet eine grosse Menge Fenster. (**) Jch nahm meinen Korb (*) Pytheas ein Astronom in Marseille, bebaupfete, fast dasselbe auf einer Seereise gesehen zu haben. Polyb. XXXIV. 5. (**) Variante des Ain Jakob. und stellte ihn in das Fenster des Himmels und wiè ich ihn nach Beendigung meines Gebets (*) zurücknehmen wollte, fand ich ihn nicht mehr. Da fragte ich Jenen: „wo ist mein Korb geblieben ? Sind hier etwa Diebel „Der Kaufmann erwiederte mir: „Dies ist eine Wirkung der Umdrehung der Himmelssphäre; (siehe Pesach 94. 2.) warte hier bis morgen, so wirst du ihn wiedererhalten können.,, (**) Sehen wir nun, zu welchen Betrachtungen uns diese Stelle des Talmuds veranlasst: 1. Die Astronomie der Rabbinen ist, wie die der Heiligen Schrift, stets eine Astronomie der Augen gewesen, Reiche der Erde die Form einer grossen runden und flachen Scheibe ertheilt, die von Wasser umgeben ist und den Himmel berührt und trägt. Die Piabbinen haben ihren Halbmesser auf 500 Jahre Weges berechnet und auf ihrer Oberfläche Gebirge angenommen, die bis an das Sternengewölbe reichen. Aus Palestina haben sie den Mittelpunct oder Nabel der Erde gemacht. 2. Jn der Stelle des Talmuds, (Pesachim 94. 2.) auf welche wir unsere Leser verweisen, heisst es, dass die Rabbinen in Hinsicht der Lehre von den Bewegungen der Himmelskörper mit den Philosophen nicht übereinstimmen, dass die erstem den Himmel als ruhend und die Sterne als beweglich ansehen, die letzteren aber das Gegentheil behaupten. Aus der milgetheilten Stelle aber lässt sich schliessen, dass die Rabbinen zuweilen die Meinungen der Philosophen angenommen und dass der Talmud auch in dieser Hinsicht ein Gemisch von fragmentarischen Lehrsätzen und Traditionen aller Art enthalten muss. Und wenn wir hier den alten Astronomen Pytheas anführen, so geschieht es deshalb, vyeil sein Bericht, so wie die Volkssage, auf die er sich gründet, von dem Wanderer Bar Bar Chana nacherzählt zu seyn scheint. 3. Die Berichte der Reisenden haben bei den Alten viel Gewicht gehabt und die Häupter der Schulen haben oftmals eine und dieselbe Geschichte benutzt, indem sie ihr einen andern Anstrich gaben. Daher glauben wir eine Aehnlichkeit zwischen dem Wanderer Bar Bar Chana und dein des Korans erkannt zu haben, der Dzilkarnaim oder Bikorn genannt wird: denn von letzterem wird in der von uns angeführten Sura erzählt, dass er auf seinen Reisen bis an die Gränzen des Ostens und Westens gelangte und unter andern wunderbaren Dingen die Sonne in einem Brunnen von schwarzem Kothe untersinken sah. 4. Jn jener bei den Alten so berühmten Gegend, welche Virgil Ultima Thule nennt, war es, wo Pytheas Land und Meer mit dem Himmel in so enger Berührung gesehen haben wollte, dass ein Schiff dazwischen nicht durchdringen konnte. Der Wanderer Bar Bar Chana setzt au die Stelle dieses wunderbaren Umstandes den noch wunderbarem, dass man mit ausgestrecktcr Hand einen Korb in eins der Fenster des Himmels stellen konnte, und der Reisende Dzilkarnaim sieht den Brunnen, worein die Sonne versinkt. Aus diesem allen geht die leichteste und einfachste Auflösung des Räthsels hervor, welches Virgil in seiner dritten Ekloge in folgenden Worten vorlegt: Die, quibus in terris (et eris mihi magnus Apollo) Tres pateat caeli spatium non amplius ulnas? (*) Dies Rälhsel hat nicht nur den Hirten in Verlegenheit gesetzt, deines anfangs aufgegeben ward, sondern auch mehrere gelehrte Commentatoren, die sich bemüht haben, den wahren Sinn desselben aufzufinden. Der Hirt sowohl, als diese Gelehrten, hätten die Auflösung in den Worten desselben Virgils Ultima Thule und in den mannigfaltigen Sagen von diesem Lande suchen sollen. Wir werden in unserer Ueberselzung nur solche Varianten beibehalten, welche, wie die hier ans dem Ain Jakob gezogene, irgend einen Lehrgegenstand entdecken oder erläutern. Die besegle Variante fügt zum Texte der obigen Stelle des Talmuds hinzu, dass R. Bar Bar Chana im ersten Augenblicke nicht glaubte, seinen Korb in das Fenster des Himmels zu stellen; sondern dass, an einen Ort gelangt, wo viele Fenster befindlich waren, die ihm vielleicht die eines zertrümmerten Schlosses zu seyn schienen, er den Korb, ohne es zu wissen, in das der Erde so nahe Fenster des Himmels stellte- Solche seltsame Züge einer belrüglichen Einbildungskraft sind schätzbare Aufschlüsse, um den Geschmack und Charakter der Rabbinen kennen zu lernen. Da das alte Testament die Grundlage der Hehren, des Evangeliums sowohl als des Talmuds und Korans ist, so Werden wir dem Texte unserer Uebersetzung alle diejenigen Citationen einverleiben, welche den Leser anregen können, in jenen drei Büchern nacbzusucheu oder Sie zu vergleichen; alle anderweitigen Citationen aber werden wir, sammt den Anmerkungen, am Rande des Textes aufnehmen. Wir werden mit dem Texte des Talmuds so viel als möglich die verschiedenen Stellen der andern Jüdischen Religionsbücher, z. B. des Midraschin, der Jad Chasaka, und des Schulchan Aruchet auf dieselbe Weise in Verbindung bringen, wie wir es in der ersten Probe gethan haben. Die den Lehren des Talmuds eigene Dunkelheit besteht grösslentbeils in dem polemischen Styl und in gewissen Formen der Beweisführung, die von demselben Unzertrennlich sind. Was den Styl betrifft, so müssen wir den guten Willen Derjenigen in Anspruch nehmen; die sich unterrichten und zu dieser Art des Vortrags bequemen wollen, der in verschiedenen Werken aus dem Mittelalter und in fast allen Abhandlungen der scholastischen Philosophie nicht anders erscheint. Was die Formen der Beweisführung betrifft, werden wir daraus eine Art Wörterbuch bilden, welches man nöthigenfalls wird zu Rathe ziehen können. Ein anderer Theil eben dieser Dunkelheit hat seine Ursache in den Citalionen des alten Testaments, die .bei jedem Satze im Talmud statt- fiudeu, ohne dass die Worte desselben vollständig oder mit Bestimmtheit angeführt werden. Wir müssen unsere Leser als vollständig bewandert, in der H. Schrift ansehen uud als fähig, jenem Gebrechen, selbst abzuhelfen. Jedoch werden wir die Zahlen der Verse neben denen der Kapitel bezeichnen, die allein in Talmud Vorkommen, damit sich ein jeder im Falle der Ungewissheit zurechtfinden könne. Eine dritte Quelle der Ungewissheit ist im Talmud der fast gänzliche Mangel an Absätzen und Absonderungszeichen, so dass nicht allein der .Sinn eines jeden Satzes, sondern auch die Gedankenfolge und der Uebergang von einem Gegenstände zum andern sich darin ausserordentlich verwickelt finden. Wir werden uns bemühen in unserer Ausgabe diesem Mangel durch sorgfältige Intérpunction abzuhelfen. Alle anderen Dunkelheiten oder Schwierigkeiten werden durch Anmerkungen aus den Cotnmentaren des Talmuds oder aus den Orienlajischen Alterthümern gehoben werden, damit unsere Uebersetzung den Christen so verständlich werde, als es der Talmud in seinem Originaltexte den Juden ist. Wir erklären jedoch, dass wir in den Anmerkungen blos die einfache Darstellung der Thatsachen ohne alle Bitterkeit oder Spötterei vor Augen haben werden. Der Babylonische Talmud zerfällt in sechs Abtheilungen und in sieben und sechszig Bücher oder Tractate, worjn die spätern Zusätze mit begriffen sind. Dies macht, mit den Commentaren, 12 Foliobände ans. Da es aber unsere Absicht ist, blös die unumgänglich nothwendigen Commentare aufzunehmen, so werden sich jene 12 Bände auf 6 in folio bringen lassen, was gerade der Zahl der Abtheilungen gleich kommt. Wir werden unser Werk in Lieferungen erscheinen lassen und uns bemühen, dass jeder Tractat des Talmuds eine Lieferung enthalte und in jedem Monate eine herauskomme. Auf diese Weise wird die Uebersetzung einer jeden Abtheilung des Talmuds innerhall, eines Jahres, im Druck erscheinen, und die des ganzen Werks innerhalb 6 Jahren. Und um diese Uebersetzung so vollständig als möglich zu machen, werden wir sie nach der im J. 152o in Venedig erschienenen Ausgabe, welche durch die Censur nicht verstümmelt worden und nach der Krakauischen Ausgabe ausarbeiten, in welcher man alle ausgestrichenen Stellen wieder aufgenommen hat. Wir haben auch das grosse Talmudische Wörterbuch der beiden Buxtore vor Augen, ferner Ei- senmengers aufgedecktes Judenthum, den Ain Jakob und andere Bücher, die uns behülflich seyn können, die Lücken des Talmuds auszulüllen. Anmerkung. Die Ankündigung der Ueberselzung des Talmuds und die Namen der Christlichen und Israelitischen Gelehrten, welche dieses wichtige und nützliche Werk herauszugeben gedenken, werden den Lesern dieser Zeitschrift späterhin mitgetheilt werden. POLNISCHE POESIE. I. MARYRLA’S GRAB. Nach Adam Mićkiewicz. Dort an des Niemens Gestade, Dort auf des Ufers grünem Pfade, Was lässt sich meinen Blicken sehn? Es scheint ein Hügel frisch und schön, Der Rand, als wenn es Kränze wären, Geschmückt mit Weissdorn, goldnen Aehren, Die Seilen decket junges Grün, Und Blumen a.uf dem Gipfel blühn, Drei Wege sieht man sich verflechten: Der eine schlängelt sich zur Rechten, Der andere führt zu einer Hütte, Und zur Linken führt der dritte. Auf sicherem Schilfe vorüber getragen, Lass mich, o liebliches Mädchen, dich fragen; Was bedeutet der schöne Hügel? Das Mädchen. Du warst vvohl nie in unsrer Mitte, Dass keiner dir noch Kunde gab? Marylla lebt’ in jener Hütte, Und dieser Hügel ist ihr Grab! Der schmale Pfad hier durch die Flur Ist ihres treuen Schäfers Spur; Der führt die Mutter freudenleer, Und jener die Gespielen her. Doch horch, schon tönt der Lerche Sang, Bald kommen sie das Thal entlang. Verbirg dich hier in dem Gesträuch: Hier kannst du ihre Klagen hören , Ihr grosses Leid durch Thränen ehren. Rechts kommt der Traute still und bleich, Dort tritt die Mutter aus der Hütte, Und links siehst du mit schwankem Schritte Die Freundin treu erscheinen!; Sie kommen klagend Und Blumen tragend Und weinen. Der Geliebie. Marylla der Tag erwacht! Wo bist du Engel hingegangen? Noch hat mein Arm dich nicht umfangen. Marylla, der Tag erwacht! Dein Freund erwartet dich mit Beben. Hält dich der Morgenschlaf umzogen? Bist du dem Freund nicht mehr gewogen? Marylla, süsses Leben! Bist mir so nah und willst nicht kommen? Ach nicht der Schlaf hält dich umzogen, Du bleibest deinem Freund gewogen, Der Tod, der Tod hat dich entnommen! Des kalten Grabes Riegel Hält dich gjba.niiet in dem Hügel; Den Freund kannst dn nicht sehen, Sein Aug dich nicht erspähen! Sonst wann ich schlafen ging, versüsste dies die Zeit Dass bald der Tag bei dir mir neue Lust verleiht, Mein Schlaf war Seeligkeil. Jetzt fliehet mich der Schlaf, der Tag ist freudeleer, In Träumen wärst du mein, entschlafen nur ist schwer, Erwachen möcht ich nimmermehr! An Arbeit fand ich Lust sonst in des Glückes Tagen. Es lobten mich die Leute — Wie sich der Vater freu’te! Jetzt hör ich ihn nur klagen, Ich habe für Gott und für Welt nicht Sinn! Ja möge die S.iat ira Felde vergehen, Mein eignes Getreide der Nachbar sich mähen. Das Heu mir verderben, und meine Heerden Den würgenden Wölfen zur Beute werden! Marylla ist dahin! Der Vater gab mir Hof und Feld Und theures Geräthe und vieles Geld: Ich möcht’ ein Weib mir nehmen ins Haus; Die Freiersleut’ gehn ein und aus, — Doch was sie sagen hat nicht Sinn! Ich kann nicht lieben, kann nicht leben, Geendet ist mein irdisch Streben, Und in die Welt will ich hinaus, Und kehren nimmermehr nach Haus. Und wollt ihr forschen wo ich hin, Dann bin ich nicht mehr auf der Welt; Ich ziehe als Soldat ins Feld; Der frühe Tod ist mir Gewinn! Marylla ist dahin! Die Mutter. Was hin ich heut so spät erwacht, Da Alle schon im Felde sind? Wohl ist um mich es ewig Nacht; Mich wecket nicht mein süsses Kind, Ich weinte bis zum Tagesschein, Erst als es tagte schlief ich ein. Mein Simon ist schon früh hinaus In’s Feld zur Arbeit gangen, Er findet keine Rast zu Haus, Ist ohne Frühstück forlgegangen, Ach pflüge du nur, müh’ dich ab, Ich will hier liegen auf dem Grab, Wass soll ich auch zu Hause eilen? Wer wird mit uns zu Tische kommen? Wer will an uns’rer Seite weilen, Do unser Kind uns weggenommen? Als, sie noch lebt in unsrer Mitte, War unser Himmel in der Hütte, Des Abends gab es Spiel und Tanz: Die lieblichsten Mädchen, Die fröhlichsten Knaben, Ans Dörfern und Städtchen, Erschienen geschmücket Mit Blumen und Kranz. Sie ist dahin! und öde steht das Haus, Und keiner kommt und jeder weicht uns aus, Der Thüren Angel decket Rost, Und Moos auf unserm Hofe sprosst. Denn Gott hat uns verlassen und die Menschen fliehn! Marylla ist dahin! Die Freundin. Hier war sie sonst in aller Früh; Wir sassen an dem Bache hier, Von unsern Liebsten sprachen wir, Von ihrem ich, von meinem sie. Ach, rausche nur, du lieber Bach, Marylla wird doch nimmer wach! Auf wessen Treue kann ich bauen, Wem noch mein ganzes Herz vertrauen? Seitdem ich ohne dich verweile, Mit dir nicht Lust und Schmerzen theile, Bleibt, Freundin! Leiden was ich leide, Und nur die Freude ist nicht Freude. * * * Als dies der fremde Mann vernommen, Ward ihm das Herz gar sehr beklommen, Er wischt die Thränen aus dem Blick, Und kehret auf sein Schiff zurück. H. Merzbachi 2. ERINNERUNG. Nach Karpiński. Ein Bächlein fliesst im Thale, Maasholder blüht am Rand: Da war’s, wo uns, Geliebte, So mancher Abend schwand. Kurz schien die Nacht, wir schieden, Schon dämmerte der Tag, Den Schlaf nahm uns die Liebe, Sie ist ja ewig wach! Den Lauschern still verborgen, Schien uns der Sterne Licht; Wir bärgen reine Liebe Den reinen Zeugen nicht. Ein Blitzstrahl traf die Eiche; Du riefst bei Blitzesschein, Mich zitternd an dich drückend: ,,Ich sterbe nicht allein!” Bei diesem Apfelbaume, An klaren Baches Rand, Trank ich mit süsser Wonne Aus deiner zarten Hand. Von dir, von dir geschieden, Seufz’ ich hier ungehört, Am Baum hat unsre Zeichen Ein loser Hirt zerstört. Es schwanden unsre Spuren, Gebüsch verwächst den Hain, Kür Baum und Bach sie blieben Und ich allein, allein! Julius Colberg. 3. LIEBESWUNDE. Nach Kasimir Brodziński. Stach ein Bienlein mich verwegen, Und da sprach mein trautes Herz: ,,Lass mich Erde darauf legen, Lindern wird es dir den Schmerz.” Doch wie heilest du die Wunde, Die ich längst so tief gefühlt? Ob ich dann auch, erst gesunde, Wann mich Erde deckt und kühlt? A. v. Drake 4. DIE UHR. Nach Lipiński. Es ziert’ in Goldes Glanz die Uhr des Domes Höhe, Und ein Insectenvolk Bewohnte einst ein Rad Des schönen Meisterwerk’s — kaum wusst’ es, dass sich’s drehe. Die kleinste Motte wär,’ käm sie in solchen Staat, Ein grosses Dromedar. Der Bürger Lebensreise War klein so wie sie selbst; — von der Geburt zum Grab, War eine Stunde Zeit mehr als die Alltagsweise. — Wer ihnen nun dies Rad zum Aufenthalte gab? In meinem Manuscript hab’ ich es nicht gefunden; Genug, sie lebten d’rauf beinahe fünfzig Stunden. Hoch über sich sah’n sie sich Kreise künstlich drehen, Sie hörten unter sich des Pendels gleichen Schlag. Liess eines Schöpfers Hand nicht dieses Werk Entstehen, „Zu welchem Zwecke war’s, dass er sein Werde! sprach?’’ So frug, wie man wohl glaubt, die Jugend stets die Alten; Es lehrten diese dann: Ein Werk der Menschenhand „Ist dies Gebäu; so hat's in Sagen sich erhalten, „In alten Schriften dann. Ihm ist der Zweck bekannt, „Dem Meister; er erschien vor grauen grauen Jahren, „Verbesserte sein Werk, das staunend wir gewahren.’’ Ein Radbewohner nun, der sich voll Scharfsinn dünket, Will auf den Grund der Uhr geheimen Gang erspähn. Es glückt ihm, wie er meint. „Die Wahrheit, die mir winket — Ruft er den Brüderh zu — lässt mich den Irrwahn sehn. „Ihr liesst (ist’s möglich wohl?) so lange euch betrügen? „Im Finstern tapptet ihr! Der Mensch soll Schöpfer seyn „Des Werkes, das wir sehn? — Kühn deck' ich auf die Lügen; „Von jetzt an seht ihr nur der Wahrheit hehren Schein. „ Bedarfs Jemand’s den Gang den Rädern anzuweisen ? ,, Sie dreh’n ohn’ fremde Kraft sich um in ihren Kreisen. „ Seht ihr wohl das Gewicht? es zieht mit eigner Stärke, „Und zwar durch eig’ne Last, an jener Walze dort, „Die muss sich dreh’n und giebt das Leben nun dem Werke, ,,Fasst in die Räder ein — Bewegung pflanzt sich fort; „ Ein’s drfeh’t das andre um, es greifen Zähn’ in Zähne, ,, Dies drehet langsam sich und jenes da geschwind. ,,Es kann nicht anders seyn, was auch Beschränktheit wähne, „Klar zeigts die Rechnung mir, beinah fasst sie ein Kind. ,,Woher der Sehreckenston der Glocke? hör ich fragen: ,,Wie sollt’ er nicht entstehn, wann Hämmer daran schlagen?” Der Redner unterstützt mit Rechnung die Beweise So überzeugend klar, dass jeder Zweifel schweigt; Man staunt die Weisheit an, man singt zu seinem Preise : „Die Wahrheit hat gesiegt, der Irrwahn ist gebeugt, „Wir sehen nicht mehr Kunst, wo nur der Zufall waltet.” Auf jeden welcher noch der alten Meinung fröhnt, Als hab’ des Menschen Hand das Werk der Uhr gestaltet, Blickt man verächtlich hin, er wird verlacht, verhöhnt, Und weil man’s weise hiess, den neuen Lehren dienen, Bekannte mancher sich, der’s sonst nicht that, zu ihnen. Julius Colberg. 5. DER SCHAEFERIN SEHNSUCHT. Nach Brodziński. Wer wird meinem Herzen sagen, Wie’s ihm geht, dem Vielgeliebten? Wer zu ihm hinübertragen Gruss auf Gruss von der Betrübten? Vöglein, das daher jetzt eilet, Schneller als der Flug des Windes, Sag’ mir, wo mein Liebling weilet, Holder Bote, o verkünd’ es! Wo auf weitem Erdenrunde Das Geschick ihn hält, den Lieben, Da flieg’ hin und bring’ mir Kunde, Ob er lebt und treu geblieben. Doch Bas Vöglein, leicht sich schwingend, Ist verschwunden in den Hainen; Eine Aehr’ im Schnäblein bringend Eilet es zu seinen' Kleinen. Holdes Vöglein, zieh’ in Frieden, Dich erwartet deine Traute; Mein sind jetzt, von ihm geschieden, Seufzer nur und Klagelaute. A. v. D. 6. DAS KIND UND DIE MUTTER. Nach Brodziński. Wohl an der treuen Mütterbrust Lehn’t das geliebte Kind. ,,O süsses Kind, mein Alles mein, „Schlaf sanft im Mutterschosse ein, „Du meines Lebens Lust!” ,, ,,Horst Mutter Glockentone du, ,, „Dazu ein traurig Lied?” ” „O sey, mein Engel, sey nicht bang, „Der starb, dem tönet Grabessang, ,,Sie bringen ihn zur Ruh!” ,, „Er starb? — o Mutter deut’ es mir!” ” „Er schlief auf lange ein.” „ „Wird das mit mir wohl auch so seyn? —” ” „Nein, trautes Kind, schlaf ruhig ein, „Und morgen spielen wir.” ,, „Ich schlief so sanft ürtd süss die Nacht, „ ,,Du, Mutter, lullst so schön, „ „Der Arme, bei dem Glockenklang „ „Und bei dem lauten Wiegensang, „Erschrickt wohl und erwacht?” ” „Nicht früher, als die Stunde schlägt, ,,Wo ihn sein Vater weckt, „Zum tiefen Bett’ ein Eng’lein steigt, „Sich küssend zu ihm niederneigt „Und ihn zum Vater trägt.” „ ,,Doch sprich, wo bringen sie ihn hin?” ” ,,Zum Kirchhof, theures Kind; „Wir pflückten öfters Blumen da.” „ ,,So weit? — Stets, ruf’st du; bleibe nah! „ ,,Lässt denn die Mutter ihn?” ” So sprechend an der Mutter Brust Schläft sanft das Kindlein ein, Die Mutter drückt’s an’s Mutterherz, Geniesst der Wehmuth süssen Schmerz? Der Thränen höchste Lust. J. Colberg. 7. AUS JOH. KOCHANOWSKI’S KLAGEN UM URSELCHEN. (*) I. Mein holdes Kind, wohin bist du gezogen, In welches Land, in welche bessre Welt? Bistüber alle Himmel du geflogen, Dem Chor der kleinen Engel zugesellt? Weilst du in Eden’s sel’gem Bluthenthale ? Ach, oder fährst du, fern vom Reich des Lichts, Dir schöpfend des Vergessens volle Schale, Und weisst von deines Vaters Leid nun nichts? Schwebst du vielleicht in andrer Form hienieden, Etwa als Nachtigall so hold und lieb, Wie oder ward dir Läuterung beschieden, Weil noch ein irdisch Fleckchen an dir blieb ? Bist du vielleicht, wo du geweilt, noch ehe Du mir geboren wardst zu Lust und Wehe? Wo du auch seyst, lass meinen Schmerz dich rühren, Komm tröstend mir von, dorten her gewallt, Sey es in neuer Form, sey’s in der früh’ren, Als Traumbild, Schatten oder Lichtgestalt! II. Wie liessest sterbend du so grosse Leere, Mein holdes Töchterchen, mir nach im Haus! Viel unser sind, und als ob keiner wäre: So viel macht ein geliebtes Wesen aus! Für alle sprachst, für alle'sangst ja du, Liefst in dem Haus durch jedes Plätzchen hin, Dass, deine Mutter sorgte, liessest du nicht zu, Noch dass sich trübte deines Vaters Sinn ; Und einen um den andern von uns herzend, Erfreutest alle du, holdselig scherzend. Nun ist es still - im Hause öde Trauer, Jlnd keine Lust mehr, stumm sind Lied und Scherz; In jedem Winkel regt sich Todeschauer, Und trostlos klagt um dich das wunde Herz. A. v. D. Aus den von dem Grafen Eduard Raczyński herausgegebenen Briefen Johann des dritten (Sobieski, Königs von Polen an die Königin Maria Kasimira, seine Gemahlin, wälirend des Wiener Eeldzuges im Jahre 1683. (*) Vorbericht des Herausgebers. Als ich vor einigen Jahren im Familienarchive nach verschiedenen Documenten suchte, fand ich unter den von Michael Râczynski, Wojewoden von Posen , nachgelassenen Papieren ein ungefähr 20 Bogen starkes Heft mit der Aufschrift: Correspondenz des hochseligen Königs mit der Königin während des Wiener Feldsuges. In dieser interessanten Sammlung befand sich auch jener Brief, dessen D’Alerac (Anecdotes de Pologne) und Rubinkowski erwähnen, der nämlich, welcher aus dem Zelte des Gross-Veziers vom 13 Sept. l683 datirt ist und den über die Türken erfochtenen Sieg und die Befreiung Wiens meldet. Dieses wichtige Denkmal unseres Nationalruhms ist auf durchsichtigem, geöhltem Papiere dem eigenhändigen Schreiben des Königs nachgezeichnet, so dass es das Original auf das treueste darstellt. Die nahen Verhältnisse Michael Raczyński’s zu Johann dem 3ten, von welchem er zu politischen Unterhandlungen in verschiedenen Ländern und namentlich in Wien gebraucht wurde , bezeugt der gleichzeitige Zaluski: diese seine Beziehung zum Hofe konnte ihm auch wohl den Zütritt zum geheimen Archive der Königlichen Familie eröffnen. Schon der ohne allen Zweifel Johann dem 3ten eigenthümliche Styl dieser Briefe, so wie das dabei befindliche Facsimile, eins der ältesten in Polen, wären vielleicht ein hinlänglicher Beweis für die Aechtheit meiner Handschrift; eine noch gewissere Bürgschaft aber ist, meines Erachtens, in dieser Hinsicht der Inhalt selbst der Briefe, welche ganz und gar das Gepräge der wesentlichen Eigenschaften Sobieski’s an sich tragen. In ihnen schildert sich sein unerschütterlicher Muth, sein Eifer um den Nationalruhm, seine Zuversicht auf den Beistand des Höchsten, seine Zuneigung zu den Kindern und Seine innige Liebe zu seiner Gemahlin. Den zu grossen Einfluss dieser letzteren auf ihn möge der Geschichtschreiber mit Recht tadeln, wenn er die nachtheiligen Folgen dieser Willfährigkeit des Königs in Erwägung zieht. Ich werde nicht versuchen, ihn zu rechtfertigen; ein überaus süsses Gefühl aber regt sich in mir, so oft ich das Bild dieses Helden betrachte, dem lange, blutige Kriege die Innigkeit der Empfindung nicht rauben konnten, die sich im Menschen so schön mit der Tapferkeit paart. Kurz nach Entdeokung dieser Briefe erfuhr ich, dass von Ohlau in Schlesien, wo der Prinz Jakob, Sohn des Königs, sich so viele Jahre aufgehalten, die in seinem Nachlasse gefundenen Sobieskischen Familienpapiere nach Breslau gebracht worden und sich darunter die Briefe Johann des 3ten an die Königin Maria Kasimira aus dem Wiener Feldzüge befinden sollten, wovon ich eine Abschrift besitze und gegenwärtig an’s Licht treten lasse. Meine Bemühungen, diese für die Geschichte Polens im 17ten Jahrhunderte so wichtigen Papiere in den Breslauischen Archiven durchsehn zu dürfen, waren ohne Erfolg. Dagegen führte mir ein glücklicher Zufall Bruchstücke von eben diesen Briefen zu, welche ein dortiger Regierungssecretär, dem das Sobieskische Archiv zu ordnen übertragen war, für sich ausgeschrieben hatte und die nach seinem Tode in fremde Hände gelangt waren. Obgleich diese Auszüge nur Fragmente einiger Briefe Johann des 3ten enthalten, stimmen sie doch' mit dem hei mir befindlichen Manuscripte wörtlich überein. Und wie ich eben im Begriff war, dies Werkchen herauszugeben, las ich in Nro 43 der Krakauer Wochenschrift die Biene (Pszczółka) den aus Heiligenbronn datirteq, in meiner Sammlung mit Nro. 5 bezeichneten Brief. Auch dieser, den andern in Ansehung des Styls durchaus ähnliche Brief ist mit dem meinigen völlig gleich-lautend. Da mir mithin nicht der mindeste Zweifel an der Aechtheit, der Briefe Johann des 3ten übrig bleibt, lasse ich sie erscheinen, indem ich die diesem Monarchen eigene Ortographie beibehalte; vorher aber habe ich noch einige Worte über den Anlass dieses hartnäckigen Kriegs zu sagen, in welchem unser tapfere König ein dreifach zahlreicheres Heer von dem belagerten Wien zurückdrängte und den Schlag abwandte, der die Oesterreichische Monarchie damals bedrohte. Die erste Ursache dieses Kampfs, der die Polnischen Waffen so sehr verherrlicht hat, war der damalige Aufstand der Ungarn gegen das Haus Oesterreich. Schon im Jahre 1670 hatten die Grafen Serini, Nadasti, Frangipani und Wesselini, an der Spitze von 14 Comitaten, Leopold dem 1ten den Gehorsam aufgesagt; sie wurden aber in Kurzem überwältigt, gefangen genommen und als Majestätsverbrecher mit dem Schwerdt hingerichtet. Die Aufhebung verschiedener Privilegien, die der Kaiser bei seiner Thronbesteigung den Ungarn bestätigt hatte, war die Folge und Strafe des unterdrückten Aufruhrs. Im Jahre 1678 griffen die Ungarn abermals zu den Waffen und zwar auf Antrieb des berühmten Grafen Emmerich Tekeli, welcher auf Türkische Hülfe rechnend und von Frankreich und der Pforte heimlich mit Gelde unterstützt, ein zahlreiches Heer in’s Feld führte. In der Absicht zwischen dem Monarchen und der Nation eine Versöhnung zu bewirken, wurde ein Reichstag nach Oldenburg berufen, der zwar eine Waffenstillstand auf einige Monate bewilligte, den Wünschen der um das Wahre Wohl des Landes eifrigen Ungarn jedoch nicht entsprach, da der Graf Tekeli, dem die Pforte Ungarns Krone verheissen hatte, die Friedens - Unterhandlungen unterbrach. Dieser Heerführer eröffhete, nach Ablauf des in Oedenburg geschlossenen Waffenstillstandes, voll Vertrauen in seine bedeutend verstärkte Kriegsmacht, sogleich die Feindseligkeiten, nahm den Deutschen'einige feste Plätze, und hielt dann an der Spitze eines zahlreichen Ungarischen Heeres, der vom Fürsten Ap'affi von Siebenbürgen gestellten Hülfstruppen und eines ansehnlichen Türkischen Corps, einen glänzenden Einzug in Ofen, wo ihn der Bascha von Öfen zum Fürsten, oder wie Andere behaupten, zum Könige von Ungarn unter Türkischem Schutze proclamirte. Dieser schnelle Anwachs der Ungarischen Streitkräfte und die fruchtlosen Unterhandlungen in Konstantinopel um Verlängerung des Waffenstillstandes mit der Pforte, bedrohten den Kaiser mit emem blutigen und gefährlichen Kriege. Ungeachtet der von den deutschen Reichsständen zugesagten Hülfe. suchte dieser Monarch, au der Möglichkeit, Widerstand zu leisten, zweifelnd, seine Sicherheit und Rettung in einem Bündnisse mit Polen. Der Graf Waldstein ward als ausserordentlicher Gesandter nach Warschau abgeordnet und schloss daselbst am 31 Marz 1683 ein Offensiv - und Defensiv - Bündniss mit dem Könige, kraft dessen der Sieger von Chocim und Podhayce sich verbindlich machte, an der Spitze von 40,000 Mann dem bedrohten Wien zu Hülfe zu eilen, dagegen aber der Kaiser Leopold allen Ansprüchen auf die Salzbergwerke von Wieliczka und Bochnia entsagte und die Urkunde zurückstellte, durchwelche der unglückliche König Johann Kasimir im Jahre l656 dem Kaiser Ferdinand dem 3ten, um von ihm Hülfe gegen die Schweden zu erlangen, für einen der Erzherzoge die polnische Thronfolge verbürgt hatte. Leopold des ersten bedrängte Lage erheischte schleunige Hülfe von Seiten seines Verbündeten. Von der Pforte war ihm der Krieg erklärt worden und der Grossvezier Kara Mustafa an der Spitze von 200,000 Mann, hatte sich hei Pesth mit den Ungarischen Rebellen vereinigt. Einer so ungeheueren feindlichen Macht waren die Kräfte des Kaisers nicht gewachsen. Der von ihm zum Oberfeldherrn ernannte Herzog von Lothringen zählte, nachdem er die Besatzungen von Raab und Jawarin verstärkt hatte, kaum 24,000 Mann unter seinen Fahnen. Zu Anfänge Juli’s 1683 rückte der Grosvezier vor Pressburg. Am 10ten desselben Monats begab sich der Kaiser mit seiner damals schwangeren Gemahlin Maria Eleonora nach Linz, wobei er den nachsetzenden Tataren kaum entkam. Am 14ten Juli langten die Türken vor Wien an, verwüsteten die Umgegend dieser Hauptstadt und eröffheten am 18ten die Laufgräben. An dem nämlichen Tage brach der König von Polen aus Warschau auf. Aus allen Theilen unseres Landes eilten kampfbegierige Schaaren den Gränzen Mährens und Oesterreichs zu. Am 15ten August nahm Johann der 3te Abschied von der Königin, verliess Krakau und traf in Gleiwitz in Schlesien ein. Aus diesem Städtchen ist sein erster Brief datirt. Von hier an schildert der siegreiche König selbst seine Heermärsche, Triumphe, Unfälle und überwundenen Schwierigkeiten. DER SIEBENTE BRIEF. Jenseits der Donau an der Brüche bei Talm, den 9ten September 1683, um 5 Uhr früh. Einzige Freude meines Herzens und meiner Seele, geliebte, holdeste Marie! Zwei deiner Briefe, mein Herz, habe ich gestern erhalten, den spätern Nro 5 vom 4ten dieses zuerst, den vom 1sten Nro 3 einige Stunden darauf, beide durch den Herrn Residenten, der die Post jetzt so eingerichtet hat, dass sie hlos zweimal wöchentlich geh in wird, nämliah Donnerstag’s als wie heute, und Montags. Ob sie aber wird durchkommen können, das weiss Gott. Denn der Herr Generafpostmeister beklagt sich, dass ihm die Nachzügler bereits zwei Postillione erschlagen haben, und zwar der Pferde halber, die sie ihnen weggenommen. Den gestrigen Tag haben wir mit Gottesdienst zjugebracht, indem uns Padre Marco d’Aviano den Segen ertheilt hat; er ist ausdrücklich im Namen des Papstes hieher gesandt. Eigenhändig hat er uns die Communion gereicht, die Messe gelesen und auf ungewöhnliche Weise vermahnt; denn èr fragte uns; habt ihr Vertrauen in Gott? —Wir antworteten: ja, wir haben es. Hierauf liess er uns ihm einige Male laut nachsprechen: Jesus Maria, Jesus Maria! Die Messe las er mit ungemeiner Andacht. Er ist wahrlich ein Mann Gottes und weder einer von den Einfältigen, noch von den Frömmlern. Schon auf jener Seite der Donau war er über eine halbe Stunde zur Audienz bei mir; da erzählte er mir, was er dem Kaiser unter vier Augen gesagt, wie er ihn gewarnt, ermahnt und ihm erklärt habe, weshalb Gott diese Länder so schwer heimsuche. Er hat ihm gerathen, sich weder selbst in’s Feld zu begeben, noch sich hieher zu nähern, und als es hier gestern hiess, der Kaiser komme an und man bereite für ihn in Tulm schon Quartier, lächelte er blos und gab durch Kopfschütteln zu verstehen, dass dies nur eine Finte sey. Zwar hat der Kaiser auch mir geschrieben, er wünsche mit mir zusammenzukommen und die Armee zu besichtigen, aber ich merkte, dass es sehr gern gesehen wurde, als ich darauf nicht einging, bonderh vielmehr den Wunsch zu erkennen gab dass der Kaiser sich nicht über Krems hinaus bieher nähern möge, da die Armee beute in Gottes Namen gegen:, den Feind vorwärts gebt und durch enge Schluchfen, Gebirge und Wälder vordringt. Im unserm Rücken aber können Tataren schwärmen und die uns Nachziehender verhindern, sich mit uns zu vereinigen. Wir aber haben schon seit einigen Tagen unsere Noth mit der Ueberfahrt, und der Regen erschwert sie uns noch mehr. Die Brücken sind zwar sehr gut gebaut, dennoch werden sie ein Mal üher das andere schadhaft, weshalb unsere Caval- lerie gestern noch nicht zur Hälfte hat hinüberkommen können, was grosse Lmbequemlichkeit verursacht: denn hier diesseits ist nicht, allein kein Heu, sondern auch Glicht ein Strohhalm mehr auf zutreiben, da eben in dieser Gegend der Tatarn-Chan vor einigen Wochen mit den Seinigen gestanden hat. Aber bei weitem schlimmer wird’s von hier bis zum Feinde seyn, wohin wir nichts als gewaltige Berge, und Wälder vor uns haben; einige Male des Tags werden Wegweiser genommen und alle herathen sie sich und können nicht eins werden, und so werden wir uns wohl allein der Fügung Gottes überlassen müssen. So viel ist jedoch unter uns beschlossen, dass die ganze Infanterie zuerst auf diese Berge steigen und der Pieiterei den Durchgang bahnen soll. Heute machen wir denn auch in Gottes Namen dazu Anstalt, wenn wir auch nicht alles Fuhrwerk sollten hinüberbringen können. Dies wird bei der Reiterei sehr viel Noth und Beschwerde nach sicht ziehenti denn nicht allein werden die Wagen nicht durchkommen, sondern was weiter mit ihnen wird anzufangen, seyn, ist eine Schwierigkeit ohne gleichen, indem einerseits die Gegend ganz unwegsam, anderseits es unmöglich ist, in einem so verwüsteten und gusgehungerten Lande, wo der Feind alles der Erde gleich gemacht hat, sich ohne dieselben zu behelfen. Mit dem Herzoge von Lothringen bin ich unendlich zufrieden; il en use fort bien avec moi et c'est un fort honête homme et homme de bien, et il entend le metier de la guerre plus que les autres; er nimmt die Parole jederzeit selbst von mir in Empfang. Dasselbe tbat gestern auch Mr. de Saxe, da ihre Truppen bereits zu uns gestossen sind. Wir haben sie gestern gesehen; sie sind sehr schön, zahlreich, gut uniformirt und in der bessten Ordnung gehalten. Man kann auf die Deutschen anwendeh, was man von den Pferden Zusagen pflegt, dass sie nämlich ihre eigenen Kräfte nicht kennen. Zwei Nächte hinter einander haben wir bereits eine fausse alerte gehabt; zumal in der letztvergangenen war sie gross und wir wissen davon bisjetzt noch nicht die Ursache. Fanfan (l) hat dabei nicht die mindeste Furcht gezeigt, im Gegentheile grande envie de'voir an plustôt les ennemis; il se fait tout autre qu’il n’a été. Ich habe ihm Mr. le Castellan de Livonie (2) beigegeben, da es nicht anders seyn konnte. Fürsten kommen in Menge aus ganz Europa hier an; Tag ung Nacht eilen sie mit Postpfprden herbei. Der Kurfürst von Baiern sollte schon in dieser Nacht eintreffen; gestern langten zwei Prinzen von Neuburg, die von Hannover und Würzburg, der junge Anhalt und unzählige andere an. Sodann Edelleute aus allen Nationen, die mich alle sehn wollen und mich daher fast zu keinem andern Thun und Denken kommen lassen. Sie alle haben sich sehr leicht ëquipirt; über meine Zelle und Gefolge können sie sich nicht genug wundern. Der Kurfürst von Sachsen besichtigte gestern mit mir die Armee in seinem gewöhnlichen rothen Alltagsrocke; nur am Reitzeuge waren drei bis vier Silberplättchen. Weder Lackei, noch Page ist bei ihm zu sehn, die Zelte sind von blossem Zwielich; sogar sein Gefolge ist sehr klein und besteht aus lauter Offizieren; seine Garde aber, welche gestern nachkam, wie auch sein ganzes Heer, ist sehr schön und ordentlich gehalten. Die bisher eingebrachten feindlichen Gefangenen sagen einstimmig aus, dass die Türken an unsere Ankunft nicht glauben wollen. — Weshalb sie vor Wien nur so selten schiessen, können wir uns nicht erklären, indem wir von dort schon lange keine Nachricht haben. Die Herrn Stadnicki und Niemirowski lassen sich noch nicht sehen. Der Herr Starost von Lublin (3) ist von dorten angekommen und meldet, dass sie im Anmarsch sind. Auch soll der II, Starost von Sandomir (4) nur neun Meilen hinter uns seyn, was ich nicht glaube. Weder sein Regiment, noch seine Dahnen sind hier. Lanzen und Speere sind auch nicht hergeschickt, würden uns auch zu nichts nützen, da Menżyński sich mit den Kosacken verspätet, die uns gerade hier am- nölhigsteu wären, vorzüglich bei dem Durchzüge durch diese unseligen Berge und Wälder; aber möge in Allem Gottes Wille geschehen! So eben geht von den Vorposten die, Nachricht ein, dass vor Wien stark aus Musketen gefeuert wird, aus grobem Geschütz aber nur selten. Den Estko hat hier niemand gesehen, noch von ihm gehört. Vorgestern ist denn auch der Doctor Pecorini hier angekommen, er scheint ein recht artiger Mann zu seyn. — Gott sey gelobt, dass es mit unserem Abbe' Kamieniecki besser geht, ich war äusserst besorgt um ihn, Und als wenn mir einige tausend Mann zugekommen wären, hat mich die Nachricht von seiner Genesung gelreuet. — Giża (5) sitzt noch in Lubowla; bisjetzt hat Tekeli (6) nicht nach ihm geschickt. Tekeli selbst steht nicht weit von hier bei Pressburg mit einer Ablheilnng Türken und Tataren; er hat dem Herzoge von Lothringen einen Waffenstillstand anbieten lassen, um die Türken und Tataren loszuwerden, die ihm das Land verwüsten. Von mir hatte er nichts gewusst. Als sein Abgesandter mich sah, konnte er vor Erstaunen kaumein Wrort Vorbringen, ich habe ihm also durch diesen Abgesandten in Ziffern geschrieben und eine gute Vermahnung gegeben. Der Fürst von Siebenbürgen befindet sich mit seinem Heere bei iffem Vezier vor Wien; vor einige Tagen hat er an den Kaiser geschrieben und ihm seine Vermittelung angeboten; das muss ihn, nach seiner alten Weise, der Vezier haben schreiben lassen. — Die Wallachen und Moldauer sind auch dort, mit allen denen aber hält es noch schwer, sich in Verständniss zu setzen. Der Diener der Frau Fürstin (7) bat sich geirrt: denn Apostoł (8) bat nicht über anderthalbhundert Kosacken bei sich; es sind dies Leute des Herrn Wojewoden von Volhinien, (9) und H. Menżyński sitzt mit den Seinigen noch in Lemberg, wie er selbst und der dortige Postmeister Sievert schreiben. Ich muss mich aber; mein einzig geliebtes Mariechen, vor deinem eigenem Hierzen über dich beklagen, dass ich nach so vielen Beweisen meiner Liebe, mir bisher noch keine bessere Meinung bei dir habe erwerben können; ist es wohl recht von dir, mir nachzusagen, dass ich deine Briefe nicht lese? und ich lese sie bei aller meiner vielen Beschäffligung wenigstens dreimal: erstlich beim Empfang derselben, sodann, wenn ich nach abgemachten Dienstangelegenheiten mich niederlege, das dritte Mal, wenn ich sie beantworte. Die Aufzählung der Jahre unseres Ehestandes aberund unserer Kinder war in Brief und Gedanken überflüssig. Dass ich zuweilen nicht viel schreibe, — o mein Herz, das musst du andern Ursachen zuschreiben, als der, welche du so voreilig und ungerecht dir einzubilden beliebtst. Aus der halben Welt sind die Menschen nur noch wenige Meilen von einander, von dem allen muss ich wissen; dazu meine Umgebung, wo ich mich selbst um die mindeste Kleinigkeit kümmern muss und mir dazu nicht Zeit gelassen wird. Um meiner Liebe willen, mein Herz, stehe nicht so sehr frühe anf; wie könnte es deine Gesundheit vertragen, so zeitig aufzustehen und dich so spät niederzulegen! Wenn du mir dies nicht zu Gefallen thust, wirst du mich sehr beunruhigen und meiner Gesundheit schaden und mehr noch der deinigeh, welche meine einzige Freude auf dieser Welt ist. Was aber die Liebe betrifft, so lass uns, meine Seele, uns selbst befra. gen, wer von uns am meisten darin erkaltet. Wenn ihr gleich bei mir das Alter nicht mehr neue Gluth verleiht, ist doch mein Herz und meine Seele noch immer warm, immer feüerig und unwandelbar liebend. Uebrigens war ja, mon amour, unter uns die Abrede, dass nun auch einmal an mich die Reihe kommen sollte, dass die Liebkosungen von dir, mein Herz, anfangen sollten, und in diesem Puncte hältst du mir gar nicht Wort. Also nicht auf einen Andern die Schuld geschoben, und zeige mir nicht nur durch Gedanken, Schreiben, und Worte, sondern durch die That selbst, dass du deinen treuesten Celadon unveränderlich liebst, welcher, hiemit schliessend, alle Reize seiner holdesten und einzigen Marie küsst. Mes baisemains â Mr. le Marquis et â ma soeur. (10) Die Kinder umarme ich herzlich, und freue mich, Monamourchen, unendlich über deine muntre Laune. Der H. Wojewode von Pommerellen ist so eben angekommen. Der Kurfürst von Baiern soll gleich bei mir seyn. ACHTER BRIEF. Auf dem Kahlenberge, worauf ein jetzt abgebranntes Gamaldulenser-Kloster steht, im Angesichte des Türkischen Lagers, den 12ten September l683, um 3 Uhr vor Tage. Einzige Freude meines Herzens und meiner Seele, holdeste, geliebteste Marie! Obgleich du mir jetzt wohl glauben wirst, dass mir es an Zeit, zu schreiben, fehlt, und die Feldpost erst morgen abgeht, und wir nicht wissen, wie sie durchkommen wird, da die Tataren uns gewiss im Rücken schwärmen, so lasse ich doch, damit du, mein TIerz, dich nicht beunruhigen mögest, Alles bei Seite liegen und benachrichtige dich, dass wir mit Gottes Hülfe bereits gestern gegen Abend vor dem Türkischen Lager angekommen sind. Heute Nachmittag wird, so Gott will, der Rest anrücken. Es ist nicht zu beschreiben, wie es uns hier ergeht; Jahrhunderte hindurch ist dergleichen nicht erlebt worden. Was das für ein mühsamer Uebergang über die Donau war, wo die Brücken einbrachen und die Wagen sich grösstentheils furthen suchen mussten, wie sich denn auch deren einige sur tous les bras du Danube vorfanden, mit Ausnahme des Hauptstroms, wo der eigentliche cours des eaux gehl; denn solch einen reissenden Strom giebt es keinen j zweiten auf det Welt! — Das war am Donnerstag, dem 9ten dieses, nach Ankunft des Kürfur sten von Baiern, dessen Portrait folgendes ist: Grösse und Taille de nôtre Mr. le Comte de Maligny, (11) das Haar nicht übel, châtain brun, der Bart etwas nach Oesterreichischer Manier, von Gesicht nicht hässlich, die Augen etwas kränklich aussehend, französisches Air; er ist fast bis zu uns mit Postpferden gekommen, kleidet sich besser als die andern, und hat schöne Englische Pferde, deren ihm der König von Frankreich zwölf Stück mit allem Sattelzeuge übersandt hat. Lackeien und Pagen sind bei ihm nicht zu sehen, Höflichkeit und Manieren besitzt er genug; dabei ist er noch überaus jung. Mit Fanfan geht er so gut und fa- milièrement um, als wären sie seit Jahren mit einander bekannt, er nennt ihn öfters mon eher fröre; aber dem Fanfan muss man auch lassen, qu’il est tout autre; der arme Junge hat viel auszuhalten, doch ist er, Gott sey Dank, munter und macht sich nicht viel daraus. Anfangs benahmen sich beide Kurfürsten gegen uns etwas fremd, jetzt aber, da wir dem Feinde näher gekommen, nicht mehr. Sie nehmen täglich die Parole von mir persönlich in Empfang, und fragen oft zu zehn Malen an, ob ich nichts befehle. Der Sächsische ist ein grundehrlicher Mann, in dessen Herzen kein Falsch ist; vorgestern fiel der Arme vom Pferde und verletzte sich das Gesicht. — Sie geben mir stets einige Cavaliere zur Seite, um die Ordres zu empfangen; vorige Nacht schickten sie mir sogar ein Commando gepanzerter Reiter vor das Zelt, um daselbst zu Pferde Wache zu halten. Sey doch so gut, liebes Herz, dies dem H. Bischof von Łuck zu erzählen, denn ich habe dazu nicht Zeit; der meinte nämlich, ich würde mit ihnen und ihrem Phlegma meine Noth haben. Sie haben mir an den rechten Flügel meines Polnischen Heers vier starke Infanterie-Regimenter zugegeben; kurz, ein simpler Hauptmann könpte sich nicht folgsamer bezeigen, als sie, und deshalb dürfen wir auch, mit Gottes Hülfe, auf einen guten Ausgang hoffen, obgleich nicht ohne grosse Beschwerde: denn wir haben hier alles ganz anders angetroffen, als uns berichtet war, zumal was die Beschaffenheit des Terrains anbetrifft. Nach jenem obenerwähnten Uebergange über die Donau, haben wir solche Berge passiren müssen, dass wir nicht marschirt, noch gestiegen sind, mais nous avons grimpe. Schon seit Freitag essen wir nichts und schlafen nicht, unsere Pferde eben so wenig. Freitags hatte ich mich von unsern Truppen entfernt, indem ich mit den Fürsten zur Beratschlagung vorausritt ,und befand mich 26 Stunden hindurch vom Heere entfernt. Die unsern waren wegen jenes verwünschten schweren Fortkommens hinter uns zurückgeblieben, so dass die Gemeinen schon anfingen, es nicht zum bessten zu deuten, nur dass sie mich sahen und zufällig die Ungarische Infanterie bei mir, die ich ganz vorne marschiren lassen: denn die Deutschen hatten sich nach diesem Puncte zu sehr und ziemlich gefährlich vorgedrängt, aber Gott hat aus seiner unendlichen Gnade bisher verhütet, dass auch nicht die mindeste Unordnung statt gefunden hat und nicht ein Mann verlören gegangen ist, obgleich sich allenthalben und im Rücken Tataren zeigen; die Türken aber werden wie Hunde angeschleppt, und und Vieh haben ihnen meine Dragoner und Kosacken nicht wenig genommen. — O Menżyński! Menżyński! (12) Wunderbar ist’s aber, dass hier schon seit 26 Stunden ein solcher Wind weht und vom Feind her uns gerade in die Augen, dass die Leute sich kaum auf den Pferden halten können; die puissances ae'riennes sind, wie es scheint, gegen uns losgelassen: denn der Vezier soll ein grosser Hexenmeister seyn. Gestern Mittags bin ich denn wieder mit meinem Heere zusammengetrofFen und da beben wir hier abermals einen unseligen Berg hinaufklimmen müssen, der mit dichtem Walde bewachsen, steil und unwegsam ist. Was doch das für, eine Gnade Gottes ist, dass wir durch solche Gegenden ohne Verlust und Hinderung durchgekommen! Unsere Wagen haben wir drei Meilen von hier an der Donau in einer sehr guten und haltbaren Lage zurück gelassen, und nur zwei leichte Fuhrwerke hieher mitgenommen, das Uebrige aber auf Maulthiere packen müssen; aber auch diese haben wir in den letzten beiden Tagen nicht nie.hr zu sehen bekommen. Das ist aber Alles noch nichts; am meisten sind wir darin getäuscht worden, dass uns Alle, selbst die Generale, versichert hatten, sobald wir auf diesen Kahlenberg gelangen würden, werde es schon gut seyn und nach Wien der Weg zwischen Weinbergen hinab führen; und wie wir nun hier ankommen, sehen wir erstlich das sehr grosse Türkische Lager wie auf flacher Hand vor uns, sodann die Stadt Wien und über 10 Meilen darüber hinweg, aber kein Gefilde vor uns, sondern noch Wälder, des pre'cipices et une grandissime montagne, wovon uns keiner ein Wort gesagt hatte, et cinq ou six ravines. Daher wird es wohl nicht vor zwei Tagen zur Action kommen können: denn wir müssen nun sowohl die Schlachtordnung, als die Kriegsweise gänzlich ändern und mit ihnen â la manière jener grossen Moritze, Spinola’s und Anderer zu Werke gehen, die a la sicura vorrückten, gagnant peu â peu le terrain. Aber menschlicherweise zu urtheilen und all unsere Hoffnung in Gott setzend, möchte dieser Feind wohl sehr in’s Gedränge kommen, da er sich weder verschanzt hat, was ihm auch nicht möglich ist, noch sein Lager concentrirt, sondern so steht, als wenn wir an hundert Meilen von ihm wären. Der Wiener Commandant sieht uns, lässt Racketen steigen und unaufhörlich aus grobem Geschütze feuern. Die Türken aber haben Bisjetzt nichts gethan; nur auf dem linken Flügel, wo der Herzog von Lothringen mit dem Kurfürsten von Sachsen steht, haben sie unter den Mauern des Camqldulenser-Klosters, welches die Unsri- gen besetzt halten, eine Anzahl Fahnen mit einigen tausend Mann Janitscharen vorgeschoben, als wollten sie uns an - der Donau den Durchgang versperren. — Jch reite sogleich hin und muss deshalb schliessen und naehsehen, ob sie dorten die Nacht über keine Schanzen aufgeworfen haben, was für uns schlimm seyn würde, denn ich denke sie von der Seite anzugreifen. Unsere Armee steht oben im Walde eine starke halbe Meile weit ausgedehnt, wo kaum so viel Platz ist, um auf einem Fusssteige von einem Flügel zum andern zu gelangen; ich habe auf dem rechten Flügel bei der Infanterie (l3) übernachtet. Das ganze Türkische Lager ist hier zu überschauen, vor Kanonendonner kann man kein Auge schliessen. — So leicht sind wir durch diesen letzten Freitag und .Sonnabend geworden, dass ein jeder von uns Hirsche auf den Bergen einholen könnte. Am schlimmsten steht es um die Pferde, die nichts zu fressen haben als Laub; der versprochene Proviant ist für Menschen und Pferde ausgeblieben. Unsere Leute sind jedoch frischen Mulhes. Die unserm Heere zugetheilen Infanterie - Regimenter verrichten ihren Dienst mit solcher Subordination, wie unsere eigenen nie. Die Unsrig&n aber sehen mit lüsternen Blicken nach dem Türkischen Lager hinüber und zeigen eine grosse Ungeduld erst dort zu seyn. Das aber wird einzig und allein Gottes Hand bewirken können. Die Tataren lassen sich bisher fast nicht sehen, wir wissen nicht, wo sie sich befinden mögen. Leinen Brief vom 6ten September, den du mir mein Herz, durch den Diener des Herrn Wojewo- den vtn Volhinien hast zukommen lassen, habe ich gestern an diesem unseligen Berge erhalten. Du darfst dich nicht damit rühmen, dass es der sechste ist, denn dieser meinige wird der achte seyn; sehr angenehm hat mich dein Brief bis Tages Anbruch unterhalten. Nun aber, mein einziges Herz, muss ich abbrechen, indem ich alle deine Beize millionenmal küsse. Mes baise mains â ma soeur et â Mr. le Marquis. Die Kinder küss’ ich und drücke sie an mein Herz. Diebes Herz, lies diesen Brief doch Herrn Drzon vor, denn in ihm kann er vielen Stoff zum Discouriren finden. NEUNTER BRIEF. In den Gezelten des Veziers den l3 September, Nachts. Einzige Freude meines Herzens und meiner Seele, holdeste, liebste Marie! Gott, unser in Ewigkeit hochgepriesener Herr, hat unserm Volke solchen Sieg und Ruhm verliehen, wie desgleichen in keinem verflossenen Jahrhunderte erlebt worden. Ab les Geschütz, das ganze Lager, unschätzbare Beute sind in unsere Hände gefallen. — Der Feind lat Schanzen, Feld und Lager mit seinen Leichen bedeckt und flieht in Unordnung. Erst heute faigen’ die Unsern an, die Kameele, Maulthiere Oshsen, Schafe, welche er seitwärts hatte, einzubringen, wobei sie die Türken heerdenweise vor sich hieher treiben. Andere, zumal Ilenegateu, laufen von ihnen zu uns über. Es ist so unglaublich zugegangen, dass heute schon unter dem Volke hier in der Stadt und bei uns im Lager Allarm entstand, indem es hiess und jedermann glaubte. dass sich der Feind zuriickwende. An Pulver und Munition allein hat er für mehr als eine Million zurüekge- lassen. ln dieser Nacht habe ich einen Anblick, gehabt, den ich mir von jeher gewünscht. Unser Gesindel hatte nämlich an einigen Orten dieses Pulver angezündet, das, ohne jemand zu beschädigen, den jüngsten Tag vergegenwärtigte; da war zu sehen, wie sich am Himmel die Wolken bilden; jedoch ist es ein grosses Unglück, indem der Verlust gewiss eine Million beträgt. Der Vezier ist in solcher Hast davon geflohen, dass er kaum zu Pferde in seiner einen Kleidung entkommen. Jch bin sein Successor geworden: denn grösstentheils- sind alle seine Herrlichkeiten mir zu Theile geworden und zwar durch den Umstand, dass, als ich mit dem Vordersten in’s Lager fiel und dem Vezier nachsetzte, mir einer seiner Hausofficianten seine Zelte wies und verrieth, die so weitläuftig sind, wie Warschau oder Lemberg in Mauern. Jch habe alle seine Vezierzeichen, die vor ihm hergetragen werden, wie auch die B'ahne Mahomets, die ihm sein Kaiser in den Krieg niitgegeben und die ich heute dem heiligen Vater durch Talenti mit der Post nach Rom gesandt habe. Zelte und Wagen sind sämmtlich mein et mille autres galanteries fort jolies et fort riches, mais fort riches. Viele von diesen Dingen hab’ fleh noch nicht gesehen und doch point de comparaison avec ceux de Chocim! Einige mit Rubinen und Saphiren besetzte Köcher allein sind mehrere tausend Dukaten werth. Du wirst mir keine solche Vorwürfe machen, mein Herz, wie die Tatarischen Weiber, welche, wie du weisst, ihren ohne Beute zurückkehrenden Männern zu sagen pflegen: du bist mir kein Held, da du beutelos heinikommst: denn wer Beute 'machen will, muss vorn an seyn. Jch habe auch das Pferd des Veziers mit allem Sattelzeuge; ihm selbst ist stark nachgesetzt worden, doch ist er entkommen. Sein Kihaja, nämlich der Erste nach ihm, ist geblieben, wie auch nicht wenig Herrn. Goldene Säbel und andere Waffen giebt es vollauf unter dem Heere. Die Nacht hat uns gehindert, ihnen den Rest zu geben, wie auch, dass sie sich auf ihrem Rückzüge schrecklich wehren et font la plus belle retirade du monde. Jn den Laufgräben haben sie ihre Janitscharen verlassen, welche in der Nacht zusammengehauen wurden: denn diese Menschen waren so trotzig und verwegen, dass, während sich die einen mit uns im Felde schlugen, die andern auf die Stadt Sturm liefe, wie sie denn auch mit ihrer Zahl schon etwas anfangen konnten. Jch schätze sie, ausser den Tataren, auf 300,000 Mann; Andere rechnen allein die Zelte zu 500,000 und nehmen drei Mann auf ein jedes derselben an, was eine ungeheure Anzahl ausmachen würde. Aber 100,000 Zelte rechne ich wenigstens: denn es standen hier mehrere Lager. Schon zwei Nächte und eipen Tag räumt da auf, wer Lust hat; auch aus der Stadt sind schon Leute gekommen , doch bin ich gewiss, dass sie auch in einer Woche nicht fertig damit werden, dies alles wegzubringen. Von den unschuldigen hiesigen Oesterreichischen Einwohnern haben sie viele, vorzüglich Weiber zurückgelassen, jedoch umgebracht, wen sie nur konnten. Hier liegen sehr viele getödtete Weiber, aber auch viele verwundete und die am Leben bleiben können. Gestern sah ich ein dreijähriges Kind, ein gar hübsches Knäbchen, dem ein Bösewicht Mund und Kopf scheusslich gespalten hatte. Aber das ist drollig, dass der Vezier aus, ich weiss nicht welchem, kaiserlichen Pallaste hier einen wunderschönen lebendigen Strauss genommen hatte; den also hat er auch köpfen lassen, damit er uns nicht in die Hände fiele. Was er aber bei seinen Zelten für Einrichtungen zum Vergnügen hatte, ist unbeschreiblich: Bäder, einen Garten und Springbrunnen, Kaninchen, Katzen; ja sogar ein Papagei war da, den wir aber nicht fangen konnten, da er uns entflog. Heute war ich in der Stadt, welche sich schon nicht über 5 Tage länger hätte halten können; keines Menschen Auge hat je etwas ähnliches gesehen, was sie da für Minen angelegt, hatten, und die untermauerten, gewaltig grossen und hohen Basteien so zu nichte geschossen, dass sie nicht länger hätten aushalten können. Das kaiserliche Schloss ist von den Kugeln zu Grunde gerichtet. Die Truppen alle, die ihre Schuldigkeit vortrefflich gethan haben, schreiben diesen erfochtenen Sieg Gott und uns zu. Als der Feind schon zu wanken anfinjj und seine Reihen brechen liess, (ich aber hatte es mit dem Vezier selbst zu thun) wandten jene die ganze Reiterei und alle Truppen gegen meinen rechten Flügel, so dass unser Mitteltreffen und der linke Flügel nichts zu thun hatten und mir daher alle ihre Deutschen Hülfstruppen zusandten. Da eilten die Fürsten auf mich zu, der Kurfürst von Baiern und Waldeck, fielen mir um den Hals und küssten mir den Mund, die Generale aber Hände und Füsse. Was erst die Soldaten! Die Offiziere und alle Cavallerie - und Jnfanterie - Regimenter riefen: „Ach unser brave König! ,,Meinen Ordres sind sie gefolgt, wie die unsrigen niemals. — So auch heute früh der Herzog von Lothringen und der Kurfürst von Sachsen, die ich gestern nicht gesehen hatte, da sie ganz am Ende des linken Flügels standen, wohin ich ihnen zum H. Hofmarschall einige Fahnen Husaren zugeben hatte. Desgleichen der hiesige Commandant Starhemberg. Sie alle küssten und umarmten mich und nannten mich ihren Retter. Jch war hierauf in zwei Kirchen; da küsste mir das ganze gemeine Volk Hände, Füsse und Kleidung, andere rührten sie hlos an, dabei riefen sie: ach lasst uns diese so tapfern Hände küssen/ Sie hätten gern mögen alle vivat rufen, aber es war zu merken, dass sie sich vor ihren Offizieren und Obern fürchteten. Ein Haufe hielt’s nicht aus und schrie, jedoch mit Scheu, vivat. was, wie ich merkte, ungern gesehen wurde, daher ich, nachdem ich bei dem Commandanten zu Mittage gespeist, aus der Stadt hier in’s Lager zurückritt, das Volk aber, mich mit aufgehobenen Händen bis an’s Thor begleitete. Jch merke, dass auch der Commandant und die Glieder des Stadtmagistrats scheel auf einander sehen; denn als sie mich bewillkommeten, stellte er mir sie nicht einmal vor. Die Fürsten sind beisammen und der Kaiser hat mich benachrichtigen lassen, dass er eine Meile von hier stehe, und so wird dieser Brief erst am Morgen zu Ende kommen, indem man mich nicht weiter schreiben und mich mit dir, mein Herz, unterhalten, lässt. Von den unsern haben wir nicht wenige in dieser ÂfFaire verloren, vorzüglich um die beiden sey es Gott geklagt, von denen Dupont schon dort gesagt haben wird. Unter den vielen Fremden ist der Herzog de Croi geblieben, sein Bruder verwundet und einige andere Vornehme getödtet. — Der Pater d' Aviano, der sich an mir nicht satt küssen konnte, sagt, er habe eine weisse Taube über unser Heer fliegen sehen. Wir verfolgen den Feind heute nach Ungarn. Die Fürsten wollep mich nicht verlassen. Das ist doch ein rechter Segen Gottes über uns, wofür ihm Preis, Ruhm und Ehre in Ewigkeit werde! — Als der Vezier schon sah, dass er sich nicht länger halten könne, rief er, seine Söhne zu sich und weinte wie ein Kind; da rauf sagte er dém Chan: rette mich,, wenn du kannst. Der Chan aber entgegnete: wir kennen den König, gegen ihn ist nichts auszurichten, wir j müssen darauf denken, uns selbst in Sicherheit zu bringen. — Solch eine ungeheure Hitze haben wir aber, dass wir fast nur vom Trinken leben. — Jetzt erst hat man noch eine gewaltige Menge Wagen mit Pulver und Blei gefunden, so dass ich nicht weiss, womit jene noch schiessen werden. In diesem Augenblicke wird mir gemeldet, dass der Feind nahe an zwanzig seiner letzten leichten Feldstücke gleichfalls in Stich gelassen hat. — So setzen wir uns also zu Pferde, nach Ungarn dem Feinde gerade nach, und, wie ich früher gesagt, sehen wir einander, so Gott will, in Stryi wieder, wo H. Wyszyński die Kamine fertig machen und die alten Gebäude aulbcssern lassen mag. Dieser Brief ist die besste Zeitung; aus ihm lasse man eine Zeitung für alle Welt machen und hinzusetzen, que c’est la lettbe du Pioi â la Reine. Die Kurfürsten von Sachsen und Baiern haben • mir ihr Wort gegeben, bis an’s Ende der Welt mit mir ziehn zu wollen. Zwei Meilen müssen wir in grosser Hast zurück!: gen, wegen des heftigen Gestanks von all den Leichen, Pferden, Vieh und Kameelen. — An den König von Frankreich habe ich einige Worte geschrieben, dass ich ihn A als den Boi très Chrétien von der Bataille gagne'e et du salut de la chrétienté benachrichtige. — Fanfan est brave au dernier point (l4) Anmerkungen zu den obigen Briefen Johann des dritten. (1) Fanfan: der Prinz Jakob, ältester Sohn des Königs, 1667 in Paris geboren, wohin damals seine Mutter in Familienangelegenheiten gereist war. Seinen zweiten Sohn Alexander pflegte der König Mignon, den jüngsten aber Konstantin, Philon zu nennen. (2) Castellan de Livonie: Otto Fölkersamb. Er wurde bald nachher Wojewode von Czernie- chow und starb als Wojewode von Liefland. ( 3) Starost von Lublinz Johann Daniłowicz. (4 ) Starost von Sandomir; Joseph Karl Lubomirski; er starb 1703 als Kron - Grossmarschall. (5) Giża, ein Polnischer Edelmann, den Johann III im August l683 an Tekeli sandte, um mit demselben zu unterhandeln und ihn von den Türken abwendig zu machen. (6) Teketi, der Oberanführerder gegen Oesterreich empörten Ungarn. Er hatte sich unter den Schutz der Pforte begeben und focht oftmals mit glücklichem Erfolg gegen die Oesterrei- chischen Heere. Nach dem Tode des Fürsten vou Siebenbürgen, Michael Apaffi, ernannte ihn die Pforte zu dessen Nachfolger. Jedoch konnte er sich späterhin in diesem Fürstenthume nicht halten und begab sich daher nach Konstantinopel, wo er 1705 als Privatmann starb. (7) Der Diener der Frau Fürstin: wahrscheinlich der Schwester des Königs, Gemahlin des Fürsten Michael Radziwiłł, Wojewoden von Wilna, Unterkanzlers und Unterfeldherrn von Lithauen. (8) Apostoł, ein Kosacken - Oberst, der für den König ein Piegiment zusammenbringen sollte. (9) Wojewode von Folhinien: Nikolaus Sieniawski, Krön-Unterfeldherr. Er zeichnete sich unter den Königen Johann Kasimir, Michael und Johann III. in den Kriegen gegen die Schweden, Kosacken und Türken aus; im Wiener Feldzüge commandirte er die Avantgarde. (10) Mr. le Marquis d’ Arquian, Vater der Königin Maria Kasimira und Schwiegervater Johann III. Er hielt sich in Polen lange Zeit auf und wurde 1696 zum Kprdinal ernannt. (11) Mr. le Comte de Maligny, Bruder der Königin. Er war Polnischer General und Oberst der Dragoner der Königin, und begleitete Johann III. in den Wiener Feldzug. (12) O Menżyżski! bezieht sich auf das Ausbleiben der Kosacken unter Menżyński, ohne die der König Wien nicht befreien zu können glaubte. (13) Die Polnische Infanterie vor Wien bestand aus 20 Regimentern und war in 8 Brigaden eingetheilt. Die Schlachtordnung des Heers war folgende: Brigaden des rechten Flügels. I. Brigade, die königliche genannt, unter dem Ge« neral Lieutenant Ernst Dönhof, Castellan von Wilna. 1. Regiment desselben Dönhofs. Oberst Bernfeyer. 2. Rgt. des Prinzen Jakob. Oberst Otto Sesweger. II. Brigade, unter Stan. Morsztyn, Panierträger von Zator. 3. Rgt. desselben Morsztyn’s. Oberst Gerhard Tiegenhof, Major Christian. 4. Rgt. Wenzel Szczuka’s, Truchsessen von Wizna. Oberst Weretycz. III. Brigade, unter Elias Łącki, Panierträger der Preqssischen Landschaften. 5. Rgt. desselben Łącki. Oberst Franz Lanckoronski, Starost von Stobnica. 6. Rgt. Wenzel Leszczyński's, Wojewoden von Podlachien. Oberst Tobias Knobels dorf. IV. Brigade, unter Friederich' Groben. 7. Rgt. desselben Gröbens. Oberstlieutenant Gutry. 8. Rgt. des Kron-Grossfeldherrn Jabłonowski. Oberst Berens. 9. Rgt. des Krön-Referendars Krasiński. Oberst Zorowski. Brigaden des linken Flügels. I. Brigade, unter Oberst Butler, Starosten von Bromberg. 10. Rgt. desselben Butlers. 11. Rgt. des Generals der Artillerie Kątski. II. Brigade, unter dem Obersten Job. Dänemark. 12. Rgt. desselben Dänemark. Oberstlieutenant Sacken. 13. Rgt. des Castellans von Krakau Potocki. 14. Rgt. Lubomirski. 15. Rgt. des Grafen Maligny. Oberst Kożuchowski. III. Brigade, unter Thomas Zamoyski, Castellan von Halicz. 16. Egt. desselben Zamoyski. Oberst Dob- schülz. 17. Rgt. des Wojewoden von Czerniechow. Oberstlieutenant Frank. IV. Brigade, unter dem Obersten Kreuzer. 18. Egt. des Kron-Gross-Kanzlers Wielopolski. 19. Rgt. des Kron - Unterfeldherrn Sieniawski. Oberst Asferus. 20. Rgt. Dönhofs, Wojewoden von Pommerellen. Die Artillerie commandirte Kątski, Castellan von Lemberg. Oberst dieses Corps war Fink, Major Rudkowski. — Wie stark diese Regimenter und wie sie eingerichtet gewesen, ist nicht bekannt. (14) Den Verehrern des unsterblichen Königs wird selbst der Anzug nicht gleichgültig seyn, in dem er an dem für die Polnische Nation so glorreichen Tage gesiegt. Kochowski berichtet, der König habe an diesem Tage ein himmelblaues Oberkleid (Kontusz) von Tuch und ein weisses seidenes Unterkleid (Zupan) getragen und ein starkes falbes Ross geritten. Vor dem Könige her ritt ein Knappe, der ein Schild mit dem Wappen des Königs (Janina) trug und ein Fahnenträger, der zum Zeichen, wo sich der König befinde, Geierfedern an seiner Fahne befestigt trug.— Der Prinz Jakob, seines Vaters unzertrennlicher Schlachtgefährte, trug einen Helm, einen Harnisch, einen Degen zur Seite und nach der Sitte unserer Vorällern einen kurzen und, breiten Säbel unter der Hüfte. VERMISCHTE GEDICHTE. 1. Der Wanderer. Lerche sang am frühen Morgen In des Frühlings Blülhezeit, Ohne Wünsche, ohne Sorgen, Sang sie Lust und Seligkeit; Von den Klängen ihrer Lieder Tönte rings das Echo wieder. Störe nicht die süssen Träume, Rief die Nachtigall ihr zu, Find’ ich auch im Reich der Bäumë Keinen Frieden, keine Ruh? Stummes Leid ist schwer zu tragen, Schweige Lerche, lass mich klagen! Nicht zum Sorgen, nicht zum Klagen Ist des Frühlings Blülhezeit, Wer verzaget, darf nun wagen, Wer betrübt ist, sey erfreut: Liebe schmücket alle Räume, Berg und Thal und Bach und Bäume! Frühlingszauber, Frühlingsboten Sind sie einer bessern Zeit, Doch dem Fernen, doch dem Todten Bleibt das treue Herz gedeiht: Ohne ihn sind leere Räume Berg und Thal und Bach und Bäume. Lerche flog auf leichten Schwingen Singend auf zum Aetherblau, Treuer Liebe Klagen dringen Einsam tönend durch die Au — Und ich kehr’ am Wanderstabe Weinend' hin zu Liebchens Grabe. S. A. Merzbach 2. Klage. Nach dem Serbischen. Mai regt die Schwingen, Mein Lebenslicht! Die Vögel singen Die Quellen springen, Mein Lebenslicht! Rings Lust und Kosen, Es blüh’n die Rosen, Mein Lebenslicht! Und du, o holde, Mein Lebenslicht, Du Herz von Golde, Du liebst mich nicht! A. v. D 3. Beisammenbleiben. Nachdem Böh mischen. Ein Liebespärchen kos’te Gar traut auf grüner Heide, Und wilder Sturm ertos’te Und ' Blitz erschlug sie beide. Das war vom Blitze brav, Dass er sie beide traf, Damit nun nicht das Eine Um’s Andre klag’ und weine. A. v. D. 4. Sühne. Einst wann ich die Palm’ errungen, Wann mein Herz zu Grabe geht, Sey mein letztes Lied gesungen, Das ein Lüftchen zu ihr weht. Will das Lüftchen es versagen, Bote meines Leids zu seyn, Wird mein Lebenshauch es tragen Ueber Berg und Thal und Hain. Lösen wird er, wie ich wähne, Der Geliebten harten Sinn, Fliessen dann mit ihrer Thräne Selig zu dem Aether hin. S. H. M. Das Aeolmelodikon. (*) Melodie! Weile süsse, schwinde nie, Säus’le bei Aurorens Schimmern, Gi'üsse uns bei Hespers Flimmern, Durch des Traumes Eden zieh, Melodie! Klagelaut! O der Wehmuth Thräne thaut. Lass die stillen Zähren fallen! Töne seufzen und verhallen, Herzen bluten ungeschaut, Klagelaut! Wonn’getön! O empor zu lichten Höhn! Psyche schlag’ die kühnen Schwingen, In der Heimat Land zu dringen, Wo des Friedens Palmen wehn ! Wonn’getön! Harmonie! Naht dein Zauber Sympathie? Wie die Töne sich vermählen, Küssen sich hier Sehwesterseelen. Bèbet Herzen, Wange glüh’! Harmonie! Sphärenklang! Schwinde eitler Erdendrang! Könnte sich das Herz ergiessen, Wo des Urquells Bäche fliessen! Cherubstimme, Himmelssang, Sphäfenklang! Julius Colberg. Anzeige. Den Lesern der Polnischen Miscellen macht der Herausgeber hiedurch bekannt, dass er gesonnen ist, denjenigen, welche es wünschen, zu einem jeden Bande dieser Zeitschrift die Karte einer Wojewodschaft des Königreichs Polen beizufügen. — Diese Wojewodschafts- Karten sind von dem hiesigen Professor Colberg angefertigt und enthalten in grossem Kartenformat auf Schweizer - Papier alle bedeutenden Orte, Kirchen, die Posten, Tribunale, Fabriken u. s- w. nebst einer statistischen Uebersicht und sind bereits davon die Wojewodschaften Plock und Augustow erschienen. Der Preis einer solchen Karte ist 4. Pol. Gulden oder 16. Gutegroschen. Die Leser belieben also gefälligst hierüber ihre Erklärung bei Abnahme des ersten Heft zu machen. Inhalt des Octoberhefts 1826 I. Von der Nothwendigkeit einer Uebersetzung des Babylonischen Talmuds zum Behuf einer Reform der Juden in Polen… s. 1 II. Polnische Poesie. 1. Marylla’s Grab, nach Mickiewicz… 37 2. Erinnerung, nach Karpiński… 42 3. Liebeswunde, nach Brodziński… 43 4. Die Uhr, nach Lipiński… 44 5. Der Schäferin Sehnsucht, nach Brodziński… 47 6. Das Kind und die Mutter, nach demselben… 48 7. Klagen um Urselchen, nach J. Kochanowski… 49 III. Aus den von dem Grafen Raczyński hehausgegebenen Briefen Johann des dritten… 5l IV. Vermischte Gedichte… 84 V. Anzeige die Karten der Wojewodschaften des Königreichs Polen betreffend… 88